Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
London.«
Logischerweise nahm er an, dass es um einen neuen Fall ging, und fragte sie danach.
»Es geht nicht um eine dienstliche Angelegenheit«, antwortete sie. »Es gibt bestimmte Dinge, bei denen ich keinen deiner Kollegen für mich einspannen möchte.«
Er grinste. »Das freut mich. Es würde mir nicht gefallen, dich mit DI Stewart teilen zu müssen.«
»Ich würde es an deiner Stelle nicht darauf ankommen lassen. Wann kommst du wieder?«
Er schaute auf den See hinaus. Er hatte gerade das Pappelwäldchen durchquert und stand auf dem Weg zum Bootshaus, die Sonne schien ihm auf die Schultern. Es würde ein herrlicher Tag werden. Einen Augenblick lang stellte er sich vor, wie es wäre, den Tag mit Isabelle zu verbringen. Er sagte: »Das weiß ich noch nicht. Ich habe gerade erst angefangen.«
»Wie wär’s mit einem kurzen Treffen? Du fehlst mir, und das gefällt mir nicht. Denn wenn du mir fehlst, spukst du in meinem Kopf herum, und dann kann ich mich bei der Arbeit nicht richtig konzentrieren.«
»Und ein kurzes Treffen würde dich davon erlösen?«
»Ja. Ich gehe einfach gern mit dir ins Bett.«
»Zumindest bist du geradeheraus.«
»Und daran wird sich auch nichts ändern. Also, hast du Zeit? Ich könnte heute Nachmittag kommen …« Sie unterbrach sich, und er stellte sich vor, wie sie in ihrem Terminkalender nachschaute. Als sie fortfuhr, wusste er, dass er richtig vermutet hatte. »Gegen halb vier«, sagte sie. »Könntest du dich um die Zeit für ein Stündchen freimachen?«
»Ich bin nicht in der Nähe von London.«
»Wirklich nicht? Wo bist du denn?«
»Isabelle …« Er fragte sich, ob das ein Versuch war, ihn reinzulegen. Ihn mit der Aussicht auf Sex abzulenken und ihm dann unverhofft seinen Aufenthaltsort zu entlocken. »Du weißt, dass ich dir das nicht sagen kann.«
»Ich weiß, dass Hillier dich zum Schweigen verpflichtet hat. Ich hätte nicht gedacht, dass das auch für mich gilt. Hätte es auch …« Sie brach ab. »Vergiss es«, sagte sie, woraus er schloss, dass sie hatte fragen wollen: Hätte das auch für deine Frau gegolten? Aber das würde sie nicht aussprechen. Sie sprachen nie über Helen, denn über Helen zu sprechen beinhaltete das Risiko, ihre rein sexuelle Beziehung in eine andere Richtung zu lenken, und Isabelle hatte von Anfang an klargestellt, dass sie das nicht wollte. »Jedenfalls finde ich das lächerlich«, sagte sie. »Was glaubt Hillier denn, was ich mit der Information anfangen würde?«
»Das ist garantiert nichts Persönliches«, entgegnete er. »Ich meine, dass er nicht will, dass du eingeweiht wirst. Er will nicht, dass irgendjemand Bescheid weiß. Ehrlich gesagt, bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, ihn zu fragen, warum nicht.«
»Dass passt doch überhaupt nicht zu dir. Wolltest du vielleicht aus irgendeinem Grund aus London weg?« Dann fügte sie hastig hinzu: »Ach was, schon gut. Solche Gespräche bringen uns nur in Schwierigkeiten. Ich melde mich wieder, Tommy.«
Sie legte auf. Einen Augenblick lang betrachtete er sein Handy. Dann steckte er es ein und ging zum Bootshaus. Besser, er konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt, dachte er. Isabelle hatte recht. Manche Gespräche würden sie nur in Schwierigkeiten bringen.
Er stellte fest, dass das Bootshaus offenbar nie verriegelt wurde. Um die Tageszeit war es drinnen noch dunkler als beim letzten Mal, und er schaltete seine Taschenlampe ein. Es war kühl hier: das Wasser, das alte Gemäuer, die herbstliche Jahreszeit. Und es roch nach feuchtem Holz und Algen. Er ging den Anleger entlang zu der Stelle, wo Ian Cresswells Skullboot vertäut war.
Er kniete sich hin und beleuchtete die Lücke, wo sich die beiden Steine aus dem Gemäuer gelöst hatten. Viel zu sehen war nicht. Mörtel war per se ziemlich rau, und über die vielen Jahre waren Risse entstanden und kleine Partikel herausgebrochen. Wonach er suchte, war ein Hinweis darauf, dass ein Werkzeug zum Einsatz gekommen war, um die Steine zu lockern, eine Spitzhacke vielleicht, ein Schraubenzieher oder ein Brecheisen. Eigentlich kam jedes Werkzeug in Frage. Und jedes Werkzeug hätte Spuren hinterlassen.
Er konnte nichts entdecken. Zur näheren Untersuchung würde man eine bessere Beleuchtung beschaffen müssen, was allerdings schwierig werden würde, wenn er sich weiterhin als Besucher ausgeben sollte. Außerdem mussten die beiden herausgebrochenen Steine aus dem Wasser geholt werden – keine angenehme Vorstellung, denn das Wasser war zwar nicht
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