Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
wusste zuerst keiner, was ein Wehrturm ist, aber einige Leute hatten schon von Ihrem Mann gehört. Wer er ist, meine ich. Und noch ein paar andere Einzelheiten.« Sie ging nicht näher darauf ein, um was für Einzelheiten es sich handelte, denn die waren sowieso allen bekannt.
»Ich brauche also in diesem Film nicht mitzuwirken?«, fragte Alatea. »Es geht um meinen Akzent, wissen Sie …«
Den Deborah durchaus charmant fand.
»Außerdem hat Nicky das ja alles allein gemacht.«
»Wenn du nicht in mein Leben getreten wärst, hätte ich es nicht geschafft«, wandte Nicholas ein.
»Aber das ist ein ganz anderes Thema.« Als sie sich ihm zuwandte, wippte ihre krause Mähne. »Das Wehrturmprojekt … Da geht es um dich und darum, was du erreicht hast und was du ganz allein geleistet hast. Ich unterstütze dich nur im Hintergrund, Nicky.«
»Also, wenn das nicht wichtig ist …« Er verdrehte die Augen. »Sehen Sie, womit ich mich herumplage?«
»Jedenfalls spiele ich für das Projekt keine direkte Rolle, und ich möchte auch keine spielen.«
»Machen Sie sich keine Gedanken«, versuchte Deborah sie zu beruhigen. Hauptsache, Alatea gab ihre Zustimmung, dachte sie. »Und wie gesagt, bisher steht noch gar nicht fest, ob der Beitrag überhaupt in den Film aufgenommen wird. Ich treffe keine Entscheidungen, ich bin nur für die Recherchen zuständig. Ich schreibe einen Bericht, mache ein paar Fotos und schicke alles zusammen nach London. Und die Produzenten entscheiden, was in den Film kommt.«
»Siehst du?«, sagte Nicholas zu seiner Frau. »Alles ganz harmlos.«
Alatea nickte, wirkte jedoch nicht überzeugt. Trotzdem gab sie ihren Segen: »Vielleicht solltest du dann gleich mit Deborah zum Wehrturm fahren und ihr dein Projekt vorstellen, Nicholas. Das wäre doch ein guter Ansatzpunkt.«
ARNSIDE – CUMBRIA
Nachdem ihr Mann mit der rothaarigen Frau weggefahren war, blieb Alatea noch einen Moment vor dem Erkerfenster sitzen und betrachtete die Zeitschriften, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Deborah hatte offenbar darin geblättert. Einerseits war daran nichts Merkwürdiges, denn schließlich hatte die Frau hier gewartet, während Nicholas sie, Alatea, geholt hatte. Wer würde da nicht eine oder zwei Zeitschriften aufschlagen, um sich die Zeit zu vertreiben? Andererseits gab es in letzter Zeit kaum etwas, das Alatea nicht nervös machte. Dass Conception jetzt obenauf lag, hatte überhaupt nichts zu bedeuten, redete sie sich ein. Die Vorstellung, dass eine Fremde aus der Tatsache, dass eine solche Zeitschrift hier auf dem Tisch lag, ihre Schlüsse zog, war Alatea zwar ein bisschen peinlich, aber bedeuten musste es nichts. Diese Frau war nicht aus London hergekommen, um sich mit ihr zu unterhalten oder im Labyrinth ihrer persönlichen Geschichte herumzuschnüffeln. Sie war hier, weil sie sich für Nicholas’ Projekt interessierte. Und weil er als Sohn des Barons Fairclough of Ireleth nicht irgendwer war.
Anfangs hatte Alatea nichts davon geahnt, dass Nicholas der Sohn eines Barons war, und wenn sie es gewusst hätte, wäre sie vor ihm davongelaufen. Nicholas hatte ihr nur erzählt, dass sein Vater eine Firma besaß, die alles produzierte, was in einem Badezimmer gebraucht wurde, und selbst das hatte er heruntergespielt. Nicht erwähnt hatte er den Adelstitel seines Vaters, dass sein Vater eine Stiftung zur Bekämpfung von Bauchspeicheldrüsenkrebs gegründet hatte, dass er ein berühmter Mann war. Sie hatte erwartet, einen Mann kennenzulernen, der aus Kummer darüber, dass sein Sohn zwanzig Jahre seines Lebens vergeudet hatte, frühzeitig gealtert war – nicht den vor Energie strotzenden Bernard Fairclough. Und es hatte sie ziemlich irritiert, wie Nicholas’ Vater sie von oben bis unten ausgiebig gemustert und seinen Blick kurz auf ihrem Busen ruhen gelassen hatte, bevor er meinte: »Herzlich willkommen in der Familie, meine Liebe.«
Sie war es durchaus gewöhnt, dass Männer ihren Busen beglotzten. Das war nicht das Problem gewesen. Das war nur natürlich. So waren Männer nun mal. Aber normalerweise folgte darauf kein Blick, der sagte: Was will eine Frau wie du mit meinem Sohn?
Mit diesem Blick hatte jeder in der Familie sie angesehen, dem Nicholas sie vorgestellt hatte. Offenbar waren alle der Meinung, dass sie und Nicholas nicht zusammenpassten, und sosehr sie sich einzureden versuchte, dass ihr Aussehen der Grund für diese Annahme war, so vermutete sie doch, dass mehr dahintersteckte. Sie war Ausländerin,
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