Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
aufzupeppen. Und so hatte ihre Chefin widerwillig zugestimmt, allerdings hinzugefügt: »Nicht mehr als zwei Tage«, damit Barbara nicht vergaß, wer von ihnen beiden das Sagen hatte.
Auf dem Weg zum Pub hatte Barbara bereits einen von Lynleys Aufträgen erledigt und die neueste Ausgabe von Conception gekauft. Ausfindig gemacht hatte sie die Zeitschrift in einem Bahnhofsbuchladen, der alle erdenklichen Presseerzeugnisse führte, und zwar im U-Bahnhof King’s Cross, der praktischerweise sowieso auf ihrem Weg von Chalk Farm ins Zentrum lag. Es war also ein Klacks gewesen, wenn man davon absah, dass sie den abschätzigen Blick des jungen Mannes hatte über sich ergehen lassen müssen, der die Kasse bediente. An seinen Augen und dem kaum merklichen Zucken der Mundwinkel hatte sie genau ablesen können, was er dachte: Empfängnis? Du? Da lachen ja die Hühner . Am liebsten hätte sie ihn an seinem weißen Hemd gepackt und über den Tresen gezogen, aber der Schmutzrand am Kragen hatte sie davon abgehalten. Jemandem, dessen persönliche Hygiene nicht einmal dazu ausreichte, dass er seine Klamotten wusch, musste man nicht unbedingt so nahe kommen, hatte sie sich gesagt.
Während sie im Pub auf ihren Informanten wartete, blätterte sie in der Zeitschrift. Sie fragte sich, wo die all die perfekten Säuglinge für ihre Fotos auftrieben und all die frischgebackenen Mütter, die rosig und ausgeruht aussahen und nicht wie echte Mütter mit eingefallenen Wangen und dunklen Ringen unter den Augen vom permanenten Schlafmangel. Sie hatte sich eine Ofenkartoffel mit Chili con carne bestellt, die sie sich gerade zu Gemüte führte, als ihr Kontaktmann von der Source auftauchte.
Mitchell Corsico betrat den Pub in seiner üblichen Aufmachung. Er trug stets einen Stetsonhut, Jeans und Cowboystiefel, und diesmal hatte er sogar eine Lederjacke mit Fransen an. Gott, dachte Barbara, wahrscheinlich würde er sich als Nächstes Lederchaps und einen Revolvergurt zulegen. Als er sie sah, nickte er ihr kurz zu und ging an den Tresen, um seine Bestellung aufzugeben. Er warf einen Blick auf die Speisekarte, legte sie weg und sagte dem Wirt, was er haben wollte. Er bezahlte sogar für sein Essen, was Barbara für ein positives Zeichen hielt, bis er an ihren Tisch kam und sagte: »Zwölf Pfund vierzig.«
Sie fragte: »Verflucht, was haben Sie sich denn bestellt?«
»Hatte ich ein Limit?«
Grummelnd kramte sie ihr Portemonnaie aus der Tasche und schob das Geld über den Tisch, während er sich auf seinen Stuhl setzte, als würde er auf ein Pferd steigen. »Wo haben Sie denn Jolly Jumper gelassen?«, fragte sie.
»Hä?«
»Vergessen Sie’s.«
»Das ist ungesund«, bemerkte er mit einem Blick auf ihr Essen.
»Was haben Sie denn bestellt?«
»Okay, nicht so wichtig. Was gibt’s?«
»Sie müssen mir einen Gefallen tun.«
Sie sah Argwohn in seinen Augen aufflackern, und sie konnte es ihm nicht verdenken. Normalerweise bat Corsico die Polizei um Informationen, nicht umgekehrt. Aber in seinem Blick lag auch ein bisschen Hoffnung, denn im Yard war man überhaupt nicht gut auf ihn zu sprechen. Vor knapp einem Jahr hatte er die Polizei auf der Jagd nach einem Serienmörder begleitet, und bei der Gelegenheit hatte er sich nicht besonders beliebt gemacht.
Trotzdem war er vorsichtig. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Mal sehen. Was brauchen Sie denn?«
»Einen Namen.«
Er hielt sich zurück.
»Ein Reporter der Source hat sich in Cumbria umgesehen. Ich muss wissen, wer das ist und warum er da raufgeschickt wurde.« Als Corsico daraufhin in seine Jackentasche langte, sagte sie hastig: »Wir sind noch nicht bei den Gefälligkeiten, Mitch. Geben Sie Jolly Jumper noch nicht die Zügel, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ah, ein Pferd.«
»Ja, genau wie Silver. Hü hott. Hätte eigentlich gedacht, dass Sie sich damit auskennen. Also, wer ist da raufgefahren? Und warum?«
Er überlegte. Nachdem sein Essen gekommen war – Roastbeef und Pasteten mit allen möglichen Gemüsebeilagen, was er garantiert nur dann bestellte, wenn er nicht selbst dafür bezahlen musste, dachte Barbara –, sagte er: »Erst will ich wissen, was für mich dabei rausspringt.«
»Das hängt vom Wert Ihrer Informationen ab.«
»So funktioniert das nicht«, sagte er.
»Normalerweise nicht. Aber die Zeiten ändern sich. ’ne neue Chefin, die mir auf die Finger kuckt. Ich muss vorsichtig sein.«
»Ein Exklusiv-Interview mit DI Lynley, und wir sind im Geschäft.«
»Ha!
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