Gleich bist du tot
du hast genug, oder? Es ist Zeit, dass wir nach Hause gehen.«
Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es neben die beiden Weingläser. Annabel spielte mit, tat sogar so, als wäre sie ein bisschen wacklig auf den Beinen, als Brady den Arm um sie legte und sie auf dem Weg nach draußen zu stützen schien. Es war nicht viel los auf der Straße, aber die Frau war bereits in unbekannter Richtung verschwunden. Sie blieben vor dem dritten Schaufenster die Straße hinunter stehen, einer Filiale von HMV. Brady tat so, als studierte er die neu erschienenen DVDs, während er die Situation neu einzuschätzen versuchte.
»Denk nicht mehr drüber nach«, sagte er. »Wir können nicht davon ausgehen, dass alles immer superglatt geht. Da muss auch mal eine Schlappe dabei sein.«
»Aber sie hat mich wie eine Idiotin dastehen lassen. Sie hat mich gedemütigt, Brady. Das ist nicht drin.«
Annabel tat Brady leid, aber das Projekt war wichtiger als alles andere und durfte nicht durch das Ego von einem von ihnen in Gefahr gebracht werden.
»Hör zu, du hast genau richtig reagiert und die Fassung bewahrt. Was sonst hättest du tun können? Sie ins Gesicht schlagen und dich verhaften lassen?«
Er nahm sie bei der Hand, und sie gingen die Priory Street hinunter zurück zum Auto. Der provisorische Parkplatz, auf dem es stand, war nicht beleuchtet, nur die Laternen an der Straße spendeten etwas Licht. Alles schien ruhig und verlassen, aber als sie zu der Reihe kamen, in der Brady geparkt hatte, sahen sie ein Stück weiter eine schlanke Gestalt, die neben einem alten Ford Fiesta stand und in ihrer Tasche nach dem Schlüssel kramte.
Annabel rannte zu ihr, noch bevor Brady überhaupt begriffen hatte, dass es sich um die Frau aus der Kneipe handelte. Die Frau war beweglich, reagierte schnell und fing einen regelrechten Kampf an, aber Annabel war größer und stärker und hatte das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Sie schlug den Kopf des Mädchens auf die Motorhaube, aber Brady zog sie zurück, packte das Mädchen und legte ihr von hinten den Arm um den Hals, während er ihr mit der freien Hand den Mund zuhielt und zu denken versuchte. Es schien niemand in der Nähe zu sein, niemand kam herbeigelaufen.
»Der Kofferraum. Schnell, nimm den Schlüssel«, sagte er ruhig.
Annabel nahm den Schlüssel aus seiner Jackentasche, rannte Richtung BMW, der vielleicht sechs Wagen weiter stand, und drückte im Laufen die Zentralverriegelung. Brady zog die Frau mit sich, so schnell er konnte. Er war knapp vor dem BMW, als sie beinahe entkommen wäre. Mit einem schmerzvollen Tritt zwischen die Beine brachte sie ihn ins Straucheln und gab Zeter und Mordio schreiend Fersengeld, aber Annabel fing sie wieder ein und schlug ihr mit dem Wagenheber vor den Kopf. Das Ding hatte lose im Kofferraum herumgelegen, und Annabel hatte nicht lange überlegt und es sich geschnappt. Auch einem BMW konnte ein Reifen platzen, und dann brauchte man statt Elektronik handfestes Werkzeug. Warum der Wagenheber allerdings nicht verstaut gewesen war, schien kaum erklärlich. Die junge Frau sank in sich zusammen, und sie trugen sie zurück und verfrachteten sie ohne jede Gegenwehr im Kofferraum. Brady sah sich noch einmal um, bevor er die Fahrertür öffnete. Im unmittelbaren Umkreis war alles ruhig, keine Menschenseele war zu sehen. Allein das ferne Rauschen des Verkehrs auf dem Ringway, der Umgehungsstraße der Stadt, drang bis zu ihnen herüber. Dein Leben unterliegt am Ende dem Zufall, dachte er, es sei denn, du nimmst dein Schicksal in die eigene Hand. Auf dem Parkplatz hätten Leute sein können, irgendwer, der keine Angst gehabt hätte, dazwischenzugehen, einer, der im richtigen (oder falschen) Moment vorbeigekommen wäre, als das Mädchen ihn trat und, so laut sie konnte, Verpiss dich! geschrien hatte. Genauso gut hätte die Kleine von vorneherein ihrem Freund in einen anderen Pub folgen oder ganz einfach irgendwo anders parken können. Aber nein, so war es nicht gekommen. Stattdessen setzte sich Brady jetzt auf den Fahrersitz, und sie lag hinten im Kofferraum, der aktuelle Gaststar auf dem Weg zu seinem nächtlichen Auftritt.
Auf der Fahrt zum Umladepunkt stauchte er Annabel wegen des Wagenhebers zusammen. Zwar hatte der Schlag ihr Opfer nur benommen gemacht, hatte es ihnen letztlich erleichtert, die Kleine zu überwältigen, aber er hätte sie auch derartig ausknocken können, dass sie für ihren Film nicht mehr zu gebrauchen gewesen wäre – oder schlimmer
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