Gleich bist du tot
Überwachungskameras der Firma nicht funktioniert, sodass es von dort kein begleitendes Bildmaterial gab.
In Coventry hatten die Überwachungskameras laut Nelson nur zwei Entführer aufgenommen, einen Mann und eine Frau. Das Pärchen schien Zeugen zufolge auf die junge Frau verfallen zu sein, als sie zusammen mit ihrem Freund in der »All Bar One« gesessen hatte. Der Körper der Frau war grausig zugerichtet, zerschlagen und verdreht, aber das Wort »Kunsteigentum« darauf war noch lesbar gewesen. Den Verkehrspolizisten, die den Unfallort als Erste erreicht hatten, musste zugutegehalten werden, dass sie die Situation sofort richtig erfasst hatten. Dennoch hatte die Bande genug Zeit gehabt, sich aus dem Staub zu machen, bevor die volle Alarmbereitschaft erreicht werden konnte, und erst etwa eine Stunde später war der mutmaßliche Tatort entdeckt worden. Nelson war bester Hoffnung, dass die Verkehrskameras am Ende Aufschluss darüber geben würden, auf welchem Weg und mit welchen Fahrzeugen die Bande entkommen war. Das konnte vielleicht einen Hinweis darauf geben, wo sie ihren Unterschlupf hatte.
»Es sieht so aus, als hätte die Sache auf der Autobahn die Bande in Panik versetzt«, fügte er hinzu. »Unsere Spurensicherer finden am Tatort alle möglichen Dinge. Neben den Kleidern der Toten gibt es jede Menge Fußabdrücke. Selbst das Seil, mit dem die Dreckskerle ihr Opfer drangsaliert haben. Wobei uns das meiste davon nicht viel weiterhelfen wird, solange wir keine Verdächtigen haben, mit denen wir die gewonnenen Proben, Abdrücke und so weiter abgleichen können.«
Jacobson seufzte hörbar und nickte. Verrückterweise, obwohl ihr Opfer getötet worden war, hatte die Bande auch dieses Mal einen Film ihres Werks verschickt: Nicht nur einmal, sondern gleich dreimal hatten sie ihr Opfer, Jane Thompson, eine zweiundzwanzigjährige Anwaltsgehilfin, an einer Eiche aufgehängt. Ohne diesen Film würde die Polizei wohl immer noch im Dunkeln tappen, was die genaue Abfolge der Geschehnisse anging.
»Ihr habt das Mädchen ziemlich schnell identifiziert«, sagte Jacobson, der sich bemühte, etwas Positives anzumerken.
»Richtig, Frank. Da hatten wir Glück«, sagte Nelson. »Das Mädchen wohnte noch zu Hause und blieb offenbar nie über Nacht weg, ohne anzurufen oder eine SMS zu schicken, dass alles in Ordnung sei. Das ist heute absolut nicht mehr üblich, aber so war es wohl. Auf jeden Fall meldete die Mutter sie kurz nach zwei Uhr morgens als vermisst, und es war die einzige Vermisstenmeldung der ganzen Nacht. Da war es keine große Sache, zwei und zwei zusammenzuzählen und zu der schlechten Nachricht zu gelangen.«
Mit ihren 24 Jahren war das Opfer aus Wolverhampton, die stellvertretende Geschäftsführerin der Top-Shop-Filiale am Ort, das älteste der vier Opfer. Ihr Fall deutete zudem auf eine alarmierende Eskalation hin. In Crowby und Birmingham waren die Opfer mehr oder weniger dazu verführt worden, in die Falle zu tappen. In Coventry hatten die Entführer, wie es aussah, zunächst noch die gleiche Strategie verfolgt und erst später Gewalt angewandt. Die Entführte in Wolverhampton dagegen war ohne große Umschweife von der Bande in ihre Gewalt gebracht worden, an einer Bushaltestelle in einer abseits gelegenen Straße. Die Frau hatte den weißen Transit an den Bordstein fahren sehen, was ihr nicht gefiel, und war davongelaufen. Aber sie hatten sie eingeholt, überwältigt und mitgenommen.
»Und es gibt keine Zeugen?«, fragte Jacobson, laut denkend und damit unabsichtlich DI Monroes in schottischem Singsang vorgebrachten Bericht unterbrechend.
Sie war nicht einfach nur Schottin, wie er begriff, sondern kam ganz oben aus dem hohen, kalten Norden und war damit das, was ihre Landsleute aus den stärker bevölkerten Lowlands eine Cheuchter nannten.
»Darauf wollte ich gerade kommen«, sagte sie spitz. »Es war eine Straße in einem Wohngebiet, um neun Uhr abends. Wir haben ein paar Leute gefunden, die meinen, etwas gehört zu haben, aber offenbar hat niemand im richtigen Moment aus dem Fenster gesehen. Oder ist bereit, es zu sagen.«
Jacobson nickte und ließ sie diesmal ausreden. Im Bann von Plasmabildschirmen und Dolby-Surround-Soundsystemen nahm der Bürger heute wirkliche Schreie von wirklichen Menschen außerhalb seiner sicher verschlossenen Türen kaum noch wahr.
»Aber der Sarg wird uns doch sicher weiterhelfen?«, fragte er.
Die junge Frau aus Wolverhampton war genau wie Tracey Heald zum Schein
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