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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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könnte. Ein kleiner Wochenendtrip nach Moskau, mit einem netten Hotel, und er könnte sich seine zukünftige russische Braut gleich vor Ort aussuchen. Einer der Tricks, das hatten sie festgestellt, bestand darin, immer leicht unglaubwürdig zu sein. Da bekam man zwar weniger Leute an die Angel, wusste aber, dass die, die trotzdem anbissen, wirklich absolute Vollidioten waren. Sie legte den Joint in den Aschenbecher und schrieb ihre ersten zwei Sätze:
     
    Roy, ich heiß wegen deine E-Mail.
    Ich immer denken an dich wenn unter Dusche. 
    Oben im Cottage stellte Adrian gerade fertig, was für ihn ein guter, endgültiger Schnitt war. Er hörte sich den Ton des Films über Kopfhörer an, einmal, weil er möglichst genau arbeiten wollte, dann aber auch, um Marias ekstatische Schreie aus Bradys nahem Schlafzimmer nicht hören zu müssen. Das Cottage war für ihr Projekt zwar gleich in mehrfacher Hinsicht ideal, eine gute Lärmdämmung hatte es jedoch nicht. Bradys Idee war gewesen, eine Art Best of -Zusammenstellung zu verschicken, damit das Medieninteresse nicht versiegte, bevor sie ihren nächsten öffentlichen Schritt taten. Zur Überbrückung gewissermaßen. Das war keine sonderlich schwierige Aufgabe gewesen, Adrian hatte einfach die zentralen Sequenzen der ersten drei Filme zusammenkopiert und die Szenen zur Erhöhung des dramatischen Effekts neu geordnet. Das einzige Problem war der Text gewesen, den Brady zwischen die Szenen gemischt haben wollte. Brady hatte ihn sein »Manifest« genannt, für Adrian klang das alles jedoch wie Bradys gewohnter, standardmäßiger Filmwissenschaftsscheiß, mit dem er am Ende an der Uni nichts hatte werden können. Das »Fragwürdige« der modernen, visuellen Kultur war laut Mr B. ihre »mangelnde Authentizität«, ihre Unfähigkeit, »aus sich auszubrechen«, um so »wirkliche Erfahrung« einzufangen. Indem es wirkliche »Angst« und wirklichen »Schrecken« auf den Bildschirm brachte, gelang ihrem Kunstterrorismus-Projekt die Flucht aus dem »Gefängnis selbstbezüglicher Künstlichkeit«, wodurch es den Film auf »seine wahre Bestimmung« zurückführte. Und so weiter. Gott allein wusste, was sie am Nachrichtentisch der ›Sun‹ daraus machen würden, hatte Adrian gedacht, aber dennoch alles wie gewünscht eingefügt. Wort für Wort, mit der ganzen Prätention.
    Er sah sich den Film noch mal im Schnelldurchlauf an und hielt nach Fehlern Ausschau, aber es schien alles zu stimmen, bis auf einen Schreibfehler im allerletzten Bild.
     
    Die Kunst schläft nie.
     
    Angst macht frei.
     
    Mehr Wirrlichkeit folgt.
     
     
    Er verbesserte den Fehler, sicherte die Datei und rief für ein paar Sekunden die Webcam auf. January Shepherd lag immer noch auf dem Bett und schien schlafen zu wollen. Er sah sie nicht gerne an, war er doch genauso für ihre Lage verantwortlich wie die anderen. Nein, das stimmte nicht ganz. So als Frau sah er sie schon gerne an. Was er nicht mochte, war die Vorstellung, was da wohl in ihrem Kopf vorging, die Gefühle, für die sie, und damit auch er, verantwortlich waren. Es ist ja nicht für immer, sagte er sich. Was sie da taten, war längst nicht das Schlimmste auf dieser Welt und zum Beispiel absolut nicht zu vergleichen mit dem, womit ein kampfüberdrehter Soldat in einer der kriegsgeschüttelten Gegenden dieser Welt durchkam. Das musste er sich immer neu sagen und vorne in seinem Kopf behalten. Letzte Nacht hatte er wieder von der Frau in Coventry geträumt. Aber da hatte Brady auf seine ihm eigene, verdrehte Weise recht. Es war ein Unfall gewesen, oder etwa nicht? Das hatte doch so nicht passieren sollen. Wenn man es richtig betrachtete (so, dass er das hier überleben und hinter sich bringen konnte), war es genauso der Fehler der Frau gewesen wie der von irgendwem sonst. Im Übrigen war das alles sowieso bald vorbei, da bestand kein Grund, noch kalte Füße zu kriegen. Diese January Shepherd war, wie schon die anderen vor ihr, nichts als eine Spielfigur, ein Mittel zum Zweck. Er betrachtete sie noch ein paar Sekunden, schloss dann das Webcam-Fenster und nahm den Kopfhörer ab. Endlich herrschte Ruhe im Haus. Nicht mal ein Flüstern war mehr zu hören. Vielleicht waren Brady und Maria ja endlich fertig und vielleicht sogar nach unten gegangen.
    Von Anfang an war Maria diejenige gewesen, aus der Adrian am wenigsten schlau wurde. Er hatte sie das alles einmal spätabends gefragt (das war noch in Watford gewesen), als Brady und Annabel ins Bett gegangen waren

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