Gleichbleibend Schoen
feuchter Luft. Ihr puterrotes Tomatengesicht glotzte mich über Großmutters Schulter an: die Augen hinter dicken Fleischwülsten verschwunden, die Lippen jämmerlich zuckend wie zwei vorwurfsvolle dunkelrote Nacktschnecken. Ihre Arme rotierten durch die Luft wie fliegende Zervelatwürste. Sie sah aus wie etwas, das man am liebsten zertreten hätte, wenn man nicht wüsste, dass es eine schreckliche Sauerei hinterlassen würde.
» Da ist ja die böse Mami und tratscht am Telefon.« Sie streckte mir Angelica entgegen wie eine Sprechpuppe. Als kämen die Worte von einem Tonband aus ihrem Bauch. Ich wandte beiden den Rücken zu.
Er redete immer noch. In einem Tonfall, als würde er eine lange Debatte beenden, sagte er gerade: » … und deshalb bin ich der Ansicht, dass ich am besten eine Weile dichtmache, wenn ich keine Mitarbeiter bekomme.«
» Ja. Warum machst du das nicht? Zumindest bis der Aufruhr sich gelegt hat. Du wirst sehen, in einer Woche oder so fragt kein Mensch mehr danach.«
» Vielleicht. Aber wenn die Sache vor Gericht kommt, geht alles wieder von vorne los. Vielleicht muss ich ganz dichtmachen. Oder verkaufen und woanders neu anfangen. Auf dem Festland.« Er klang skeptisch. » Das heißt, wenn ich nicht im Gefängnis lande.«
Daran hatte ich gar nicht gedacht. » Aber nein, warum sollten sie dich einlochen? Das ist lächerlich. Es würde mich wundern, wenn es überhaupt zu einer Anklage käme. Bei Gericht werden sie die ganze Sache fallen lassen.«
» Nein. Du verstehst nicht, worum es hier geht. Die Polizei hat mich schon länger auf dem Kieker. Ich bin in dieser Stadt nicht gern gesehen, weil ich zu viel über zu viele wichtige Personen weiß. Bestimmte Leute wären sehr froh, mich loszuwerden.«
Seine Paranoia war mir peinlich. » Na ja, vielleicht. Hör mal, ich muss jetzt wirklich los. James’ Mutter ist hier. Ich muss mich mit ihr unterhalten, ihr einen Tee anbieten oder irgend so einen langweiligen Kram. Du weißt schon. Ruf mich wieder an, ja? Jederzeit. Halte mich auf dem Laufenden und sag mir, wenn ich etwas für dich tun kann. Am Dienstag komme ich dich i n d einer Wohnung besuchen, okay? Wirst du da sein?«
» Ich weiß nicht. Vielleicht gehe ich weg, irgendwohin. Das Problem ist nur, dass ich wegen der Kaution das Land nicht verlassen darf. Kannst du nicht schon vorher in die Stadt kommen? Weißt du, wenn ich nur ein wenig Hilfe hätte und mit dem Restaurant weitermachen könnte, würde ich der Sache wahrscheinlich ganz entspannt entgegensehen. Ich brauche einfach nur ein bisschen moralische Unterstützung, mehr nicht. Dann kann ich diese Scheißtypen für das Privileg, mich anstarren zu dürfen, blechen lassen.«
» Hör mal, das tut mir wirklich alles sehr leid, aber vor Dienstag schaffe ich es nicht. Dienstags passt James’ Mutter auf Angelica auf. Alles andere wäre zu kompliziert. Ich kann sie nicht mit in die Stadt schleppen.«
» Nein, das sehe ich ein. Vielleicht rufe ich dich am Wochenende an. Wenn ich Dienstag in der Stadt bin, können wir uns irgendwo treffen. Danke, dass du mit mir geredet hast. Auf Wiedersehen.« Er hängte ein.
Na gut. Vielleicht hatte ich ihm wenigstens geholfen, die Dinge im richtigen Verhältnis zu sehen. Ein Sturm im Wasserglas, mehr war es doch nicht. Die ganze Geschichte hatte sogar was Komisches, aber man konnte wohl nicht von ihm erwarten, das zu sehen. Während ich den Geräuschen von Großmutter und Angelica folgte, dachte ich nach. Die Aufregung würde sich legen, es gab wirklich keinen Grund, in die Stadt zu fahren und zu helfen. Dienstag war früh genug. Bis dahin konnten wir wahrscheinlich gemeinsam über die Sache lachen. Nur wegen so eines kleinen Skandals ließ ich mir meinen Freund nicht madig machen.
Großmutter und Angelica waren im Badezimmer. Angelica wurde im Waschbecken abgespült. Das Wasser ließ sie auf ihre ausgewogenen, blassen Proportionen zurückschrumpfen. Sie sah wieder normal aus. Ein ordentlich gefalteter Stapel Babykleidung lag griffbereit.
Ich lehnte in der Tür. Sie waren beide so ineinander vertieft, dass sie mich nicht bemerkten. Ich ging in die Küche. Angelica hatte erst kürzlich begonnen, feste Nahrung zu essen. Ich betrachtete die ordentlich aufgereihten Babygläschen im Schrank und wählte eins mit gehacktem Hirn und Karotte und eins mit Bananenpudding. Als sie hereinkamen, machte ich gerade das Hirn warm.
» Möchtest du bei uns essen?«, fragte ich höflich. » Ich füttere nur erst Angelica,
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