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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Hodgman
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hinein.
    Sie standen beide an dem zerbrochenen Fenster und schauten hinaus. Sie drehte sich zu mir um.
    » Er fährt zu seiner Schwester. Vermutlich will er ihr erzählen, wie fürchterlich bürgerlich wir alle sind. Ein Jammer, dass er durchs Fenster abhauen musste.« Das Heulen des Kindes wurde lauter. Sie nahm ihn auf den Arm und sagte, er solle sich keine Sorgen machen. » Du wirst schon sehen, Daddy kommt bald zurück.«
    » Und wann kommt er zurück?«
    » Wann genau, weiß ich nicht. Aber er wird kommen. Vielleicht morgen. Wahrscheinlich übernachtet er heute bei deiner Tante.«
    Sie setzte den immer noch heulenden Jungen auf einen Stuhl und durchstöberte die Schallplatten auf dem Boden, zog eine heraus und legte sie auf. Es war eine Kinderplatte mit Geschichten und Musikstücken. Ein fröhliches Lied über einen Piraten mit Holzbein, der übers weite blaue Meer segelt, klang durchs Zimmer. Das Kind kaute immer noch schniefend an seinem Daumen. Nachdem er ein oder zwei Minuten zugehört hatte, stand er auf, schlurfte in sein Zimmer und kam mit einer Schere und einem Stapel alter Zeitschriften zum Ausschneiden zurück.
    » In meinem Zimmer ist auch jemand gewesen. Alles ist durcheinander. Das ganze Bett liegt auf dem Boden. Hat da jemand drin geschlafen?«
    » Du klingst wie die drei Bären«, sagte seine Mutter. Sie lachten beide.
    » Wer hat in meinem Bett geschlafen?«, rief er mit der tiefen Stimme von Vater Bär.
    » Du bleibst jetzt hier, und wir machen alles wieder schön.« Während sie sprach, begann sie, die Schallplatten zurück in ihre Hüllen zu stecken, achtete aber nicht darauf, welche Platte in welche Hülle gehörte. Ich sammelte die zerfetzten Kissen ein und trug sie nach draußen zum Pappkarton. Das Zimmer war schnell wieder aufgeräumt, sauber und leer, nur das zerbrochene Fenster war noch da. Es musste unbedingt repariert werden. Heiße Tage. Kalte Nächte.
    Gloria ging in den Arbeitsraum ihres Mannes und kam mit einem breiten Streifen frischer Leinwand zurück.
    » Das wird ihm nicht gefallen. Geschieht ihm recht. Da drinnen herrscht ein fürchterliches Durcheinander. Aus irgendeinem Grund liegen da lauter zerrissene Zeichnungen rum. Ich fasse lieber nichts an. Das macht ihn bestimmt fertig, aber er ist selbst schuld. Gestern Abend wollte er mir nicht verraten, wo er hingeht, aber es war ziemlich offensichtlich. Ich habe gesagt, dass er Ärger kriegen wird. Er meinte, das sei ihm egal. Aber das hier wird ihm nicht egal sein.«
    Ich fühlte mich ihr nahe und war glücklich. Ihn sah ich als lächerliche Gestalt irgendwo am Horizont herumhüpfen.
    Wir nagelten die Leinwand übers Fenster. Die Spätnachmittagssonne schimmerte hindurch, und das Zimmer wurde blassgelb wie Hafermehl. Dann gingen wir ins Schlafzimmer. Zwei Matratzen lagen auf dem Fußboden. Sie hatten erfolglos versucht, eine von ihnen aufzuschlitzen. Die lockeren Bodendielen waren herausgerissen worden, und Bens Altkleidersammlung quoll ans Tageslicht. Gloria hockte sich hin und zog sie ganz heraus. Sie nahm sich ein Crêpe-de-Chine-Kleid mit einem Muster wie von einer Wickensamentüte, eines seiner Lieblingsstücke, sein Zweiter-Weltkriegs-Hurenkleid. Wir hatten Straßenlaternen für ihn improvisiert, unter denen er stand und den Refrain von Lili Marlene sang. Gloria hielt sich das Kleid vor den Körper und stolzierte durchs Zimmer. Sie drehte Pirouetten, winkte mit grotesk schlaffem Handgelenk und schrie: » Verdammte Scheiße. Was denn noch alles? Mein Mann, der Transvestit. Schau dir all dieses Zeug an.«
    Sie durchwühlte es. Einzelne Kleidungsstücke flogen über ihre Schulter und drapierten sich über die Möbel. » Schau dir das an. Es ist unglaublich. Wo hat er all dieses Zeug her? Er ist verrückt. Die Leute haben recht. Er ist total verrückt.«
    Sie eilte an ihre Wäschekommode und riss sie auf. Jaulend warf sie den Kopf in den Nacken: » An meine Sachen ist er auch gegangen. Er hat hier drinnen rumgewühlt und alles zerknittert und schmutzig gemacht. Schau dir die Flecken hier an.« Sie wedelte wie ein übereifriger Matador mit einem alten pinkfarbenen Velourlederrock. » Die kriege ich nie wieder raus. Er ist für immer verdorben.«
    Sie weinte. Sie fluchte. Sie trommelte mit den Fäusten gegen die Wand. Dann fiel ihr der Kleine im Nebenzimmer ein, und sie hörte auf. Sie nahm sich einen Arm voll Klamotten, rannte mit ihnen durchs Haus und nach draußen zum Verbrennungsofen. Ich sammelte die Reste ein. Wir

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