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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Hodgman
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herumstanden, wuchs kurzes, graugrünes Gummigras. Ben setzte den Rucksack ab, schleuderte seine Desert Boots von den Füßen und zog den Reißverschluss seiner Jeans auf. Ein Signal für mich, dasselbe zu tun. Er ging zu einem der größten Hackblöcke und stellte sich nackt daneben. Die Arme vor der Brust verschränkt und auf dem Kinnriemen des tief ins Gesicht gezogenen Hutes kauend, sah er mir zu. Ich zog mich aus, ging zum Felsblock und legte mich der Länge nach darauf. Ich blinzelte in die Sonne, bis Ben sich in bester romantischer Tradition über mir aufbaute und sie verdeckte.
    » Und was ist mit der Aussicht?«, flüsterte ich.
    » Scheiß auf die Aussicht«, brummte er. Es klang beleidigend.
    Manchmal wunderte ich mich, aber dies war nicht der Moment, mir Gedanken über sein Benehmen zu machen. Der auserkorene Felsblock hatte in der Mitte eine leichte Höhlung, was uns merkwürdig hin- und herschaukeln ließ, als wir uns auf ihm zu bewegen begannen. Tag und Nacht. Blitzartige Wechsel von hell und dunkel.
    Die Zeit verstrich, wohlgenutzt. Die Sonne wanderte über den Himmel. Bens Hut fiel hinunter. Vielleicht bewegte sich die Erde unter uns. Glitschig von Patschuli und Schweiß köchelten wir in unserem heißen Felstiegel vor uns hin. Wir schliefen ein und wachten gleichzeitig wieder auf, schauten uns in die Augen, rieben die Nasen aneinander, drückten die Augen fest zu, öffneten sie wieder und blickten staunend in das eine riesige Superauge, das zurückschaute. Schließlich lösten wir uns voneinander und setzten uns auf. Ben holte Wasser und die Tüte mit den Keksen. Zum Abschluss des Picknicks drehte er uns einen Riesenjoint. Mit dem leeren Beutel deutete er auf die Landschaft.
    » Und jetzt darfst du die Aussicht genießen. Dazu sind wir schließlich hergekommen.«
    Ich kniete auf dem Felsen und sah mir die Aussicht an. Aber nicht lange. Die Landschaft unten blutete aus, die Farben verschwammen. Regenbögen versickerten langsam an den Rändern der sichtbaren Welt. Ich versuchte durch die Gitterstäbe zu schauen, die sich vor meinen Augen aufbauten, und bemerkte, dass es meine Wimpern waren.
    Als ich aufwachte, war ich allein. Es war sehr still und sehr heiß. Meine Jeans lagen ordentlich gefaltet neben meinen Füßen, auf ihr, Spitze an Spitze, meine Schuhe. In einem Schuh steckte ein zusammengerollter Papierbogen, auf dem in nach links neigenden Großbuchstaben eine Nachricht stand: WIR TREFFEN UNS AM BAUMSTAMM . BEEIL DICH .
    Hastig zog ich mich an. Es machte mir Angst, so nah am Himmel und in der stillen Hitze des Nachmittags allein zu sein. Ich rannte den Hügel hinab. Ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Jemand verfolgte mich. So wie die Zweige unter meinen Füßen knackten, knackten auch Zweige hinter mir – unter den Füßen eines anderen Menschen. Erst hörte ich sie auf der einen Seite, dann auf der anderen. Ich war umzingelt. Als wollten sie mich den Hügel hinabtreiben. Ich blieb stehen. Sofort hörte das Knacken auf. Als ich hochblickte, sah ich die Vögel. Still, dumpfschwarz und staubig. Sie beobachteten mich. Schmale Schatten flirrten im grünen Licht zwischen den Baumstämmen. Entsetzt schrie ich auf. Sie verschwanden. Nur mein Entsetzen, das von den Bäumen abprallte, schrie zurück. Plötzlich musste ich an die finsteren Flundernfischer am Strand denken, an die Bilder im Museum – die schwammigen weißen Gestalten, die ins Leere starrenden Augen der Aborigines. Nur, dass es in unserem Staat keine Aborigines mehr gab. Sie waren alle tot. Als Letzte starb eine Frau, die ihr Leben als exotisches Haustier in den besseren Wohnzimmern Hobarts beendete. Ich wusste, dass ich beobachtet wurde, so allein auf dem Hügel, beobachtet von einem Volk, das nicht mehr existierte und mich kraft seiner Gedanken vertreiben wollte. Ich rannte. Frisches Gestrüpp peitschte gegen mich und schlang sich in stechenden Ranken um meine Arme, Brüste und den Rücken. Die Bäume bekamen Gesichter, lachten und hielten mir ihre Wurzeln als Stolperfallen hin. Ich war die fliehende Figur in einer Disneywelt.
    Ich erreichte den Baumstamm. Ben saß, über eine Zeichnung gebeugt, rittlings auf ihm. Ich setzte mich vor ihm auf den Boden und lehnte mich an. Der Baum war ein Schutzschild zwischen mir und dem Hügel. Ich konzentrierte mich darauf, langsam zu atmen. Mein Kopf wurde klarer, mein Zittern verschwand.
    » Geht’s dir besser?«, fragte er.
    » Ja. Allein hab ich da oben Angst bekommen. Bin zu schnell

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