Gleichbleibend Schoen
die Schulter.
» Gar nicht schlecht, was? Interessant. Allerdings ein bisschen schräg. Wahrscheinlich könnte er richtig gut sein. Müsste nur ein bisschen klarer werden im Kopf. Ganz schönes Chaos hier. Du kannst sagen, was du willst, irgendwas war hier los.«
Ich sah mich in dem Raum um, in dem Ben und ich so viele lustige Nachmittage verbracht hatten. Jetzt würde es keine mehr geben. Glorias Schmerz war zu real. Sie hatte zu viel Licht geworfen: Ihre gestochen scharfe Realität hatte alle Fantasien vertrieben. Es gab keine interessanten Schatten mehr.
James stöberte in den ruinierten Zeichnungen herum. » Hier, schreib deine Nachricht da drauf. Aber mach schnell. Im Unterschied zu dir brauche ich meinen Schlaf.«
» Gut. Ich bin gleich so weit.« Ich konnte nicht denken, solange er im Zimmer herumlief und Kommentare abgab. » Warum gehst du nicht vor und wartest im Auto auf mich?«
Er ging.
Ich wusste immer noch nicht, was ich Gloria schreiben sollte. Schließlich behauptete ich, James würde mich an den Haaren nach Hause schleifen. Es werde hoffentlich alles wieder gut, schrieb ich, sie solle sich keine Sorgen machen. Ich platzierte meine Nachricht auf dem Kaminsims und eilte aus dem Zimmer. Ich fühlte mich schuldig.
Auf dem Autorücksitz schlief ich ein. Auf halbem Weg hielt James an und ließ mich vorne einsteigen. Er müsse zu langsam durch die Kurven fahren, behauptete er, weil er Angst habe, ich könne runterfallen. Bei dem Tempo bräuchten wir Stunden bis nach Hause. Kurz vorm Morgengrauen kamen wir am Haus seiner Mutter an und holten Angelica ab. Schwiegermutter hatte ihre ewige Nachtwache unterbrochen und machte gerade ein Nickerchen. James lief vor, während ich Angelica um die Straßenecke und nach Hause schob. Er sagte, er müsse unbedingt ins Bett, außerdem bekomme er vom Kinderwagenquietschen Kopfschmerzen. Als Angelica und ich vor die Tür gequietscht kamen, lag James schon im Bett und hatte sich das Laken über den Kopf gezogen. Er wollte eindeutig nicht gestört werden.
Ich bettete Angelica in ihren Stubenwagen um und ging ins Bad. Ich ließ die Wanne mit heißem Wasser volllaufen, gab Fichtennadelbadekristalle zu und lag dösend in der Wärme, bis Angelica wach wurde. Als ich sie laut klagen und hicksen hörte, zog ich unwillig den Stöpsel raus und sah zu, wie alle meine Sünden in einem Wirbel duftenden grünen Wassers durch den Abfluss rauschten. Gegen den Uhrzeigersinn, natürlich.
*
James war schon auf und rumorte im Schlafzimmer. Auf der Suche nach seinen Siebensachen zog er Schubladen heraus.
Ich trug Angelica ins Bad, damit sie ihrem Daddy beim Rasieren zuschauen konnte. Außerdem wollte ich wissen, ob es bei dem geplanten Picknick blieb. Er sagte Ja und tupfte sich mit einem Fetzen Toilettenpapier ein paar Blutstropfen vom Kinn. Angelica lächelte ihr Zahnfleischlächeln, James lächelte durch den beschlagenen Spiegel zurück und sagte mir, was ich in unserem kleinen Laden fürs Picknick kaufen solle.
Morgen gegen Mittag, meinte er, wäre er wieder zurück, und am Sonntagmorgen würden wir ganz früh aufbrechen. Mit seiner Mutter habe er gesprochen, sie freue sich schon riesig darauf, Angelica tagsüber nehmen zu dürfen. Alles sei arrangiert. Er freue sich wirklich auf den Tag.
Ich rief Gloria in der Schule an. Die Person am Telefon sagte, sie sei nicht da. Sie sei heute nicht gekommen, und der Junge sei nicht in seiner Klasse. Der Mann vermutete, dass einer von beiden krank sei, seltsam sei in dem Fall nur, dass sie nicht telefonisch Bescheid gegeben habe. Ich sagte, dass es schwierig für sie sei, zu einem Telefon zu kommen, weil sie so abgelegen wohnten. So könne es gewesen sein, meinte er und hängte ein.
Während ich Angelica den schmalen staubigen Fußweg entlangschob, der neben der Hauptstraße zum kleinen Vorstadtladen und der Tankstelle führte, fragte ich mich, was passiert war, und wünschte mir, ich wäre geblieben. Ich beschloss, am Montag wieder in der Schule anzurufen. Ich kaufte alles fürs Wochenende, was mir einfiel, und schob Angelica begraben unter einem Berg Dosen, Eierschachteln und Käse wieder nach Hause. Nur noch ihre Augen blinzelten leicht schielend und vertrauensvoll zu mir hoch.
*
Am nächsten Tag war Daddy zum Mittagessen wieder zu Hause. Er hatte mehrere Flaschen Wein und ein paar Oliven aus dem Immigrantenladen in der Nähe seines Büros mitgebracht.
Nach dem Essen machte er sich an ein paar typische Samstagsarbeiten. Er ölte den
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