Gleichklang der Herzen
gelaunt setzte er sich zu Tisch und schickte mehrere Speisen wieder zurück, die der Koch mit so viel Hingabe zubereitet hatte.
Morgen werde ich eine große Abendeinladung geben, sagte sich der Herzog, nachdem der Butler ihn bei seinem Portwein allein gelassen hatte.
Überdies sollte sein Sekretär die besten Schneider Londons veranlassen, Vorschläge für die Ausstattung der Braut zu unterbreiten.
Benedicta würde als Braut gewiss zauberhaft aussehen.
Er ertappte sich bei der Vorstellung, wie sie wohl in ihrem Hochzeitskleid aussehen mochte, mit dem Schleier, den ihr Gatte der Tradition gemäß nach der Trauung heben durfte, um sie zu küssen.
Bei diesem Gedanken stand der Herzog so plötzlich vom Tisch auf, dass er sein halb volles Portweinglas umstieß.
Er verließ das Speisezimmer und ging in die Bibliothek. Was zum Teufel stehe ich im Begriff zu tun?, fragte er sieh, als er den großen Raum betrat.
Im Kamin loderte ein Feuer. Kerzen warfen ihren Schein auf die Bücher, die reihenweise die Wände bedeckten und alles Wissen der Welt enthielten, wie er als kleiner Junge stets geglaubt hatte.
An diesem Abend wusste er, dass die Bücher nichts enthielten, was ihm jetzt weiterhelfen würde.
Er warf sich in einen Sessel und starrte in die Flammen, von Gedanken geplagt, die ihm schwer auf der Seele lasteten.
Es war kurz vor ein Uhr, als der Herzog sich erhob und zu Bett gehen wollte.
Er wäre wohl noch länger so vor dem Kamin sitzen geblieben, wäre ihm nicht eingefallen, dass Hawkins auf ihn wartete. Er wollte ihn nicht zu lange wach halten, da Hawkins tagsüber sehr beschäftigt war.
Langsam ging er von der Bibliothek in die große Eingangshalle, wo zwei Lakaien diensteifrig aufsprangen. Sie blickten ihm nach, wie er die Treppe zum ersten Geschoss hinaufschritt.
Oben angekommen, hörte er Schritte, die eilig über die Nebentreppe vom zweiten Stock herunterliefen.
Der Herzog sah sich erstaunt um. Es war Jackson, der Diener, der Benedictas Vater pflegte. Er kam die Treppe heruntergelaufen, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend.
Jackson wollte den Korridor entlanglaufen, da bemerkte er den Herzog und blieb abrupt stehen.
„Was gibt es, Jackson? Was ist passiert?“, fragte der Herzog mit scharfem Unterton.
„Ich wollte eben Mr. Hawkins holen, Euer Gnaden. Ich glaube, der geistliche Herr ist gestorben.“
„Hawkins ist gewiss in meinem Schlafgemach“, sagte der Herzog, bereits unterwegs zur Treppe in den zweiten Stock. Die Tür zum Schlafraum des Reverend Aaron Calvine stand offen. Eine Kerze und die Flammen des Kaminfeuers waren die einzigen Lichtquellen.
Das schwache Licht jedoch reichte aus, um den Herzog sehen zu lassen, dass Benedicta vor dem Bett stand.
Sie musste eben aus ihrem eigenen Zimmer, das nebenan lag, gekommen sein.
Benedicta stand in ihrem langen weißen Nachtgewand neben ihrem Vater. Das Haar fiel ihr offen über die Schultern. Ganz still stand sie da, mit gefalteten Händen, und sah auf ihren Vater nieder.
Als der Herzog an ihre Seite trat, erkannte er, dass ihr Vater, der Reverend Aaron Calvine, für immer aus dem Leben geschieden war.
Er war nicht aus seiner Bewusstlosigkeit in den Tod hinübergeglitten, wie zu erwarten gewesen wäre, sondern offenbar für kurze Zeit erwacht, da Mund und Augen geöffnet waren.
Als der Herzog den Toten betrachtete, wandte sich ihm Benedicta wie ein Trost suchendes Kind zu und barg das Gesicht an seiner Schulter.
„Ihr Vater ist tot“, sagte er leise. „Vielleicht aber ist es zu seinem Besten. So hätte er nicht weiterleben können, das wissen Sie selbst.“
Er spürte, wie sie zitterte, als er den Arm um sie legte. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Als er sie so an sich gedrückt hielt, merkte er, wie zart und zerbrechlich sie war. Er hatte eher das Gefühl, ein verlassenes Kind in den Armen zu halten als eine erwachsene Frau.
„Gehen Sie auf Ihr Zimmer, Benedicta“, riet der Herzog ihr leise. „Hawkins wird Ihren Vater aufbahren. Ich lasse ihn dann in die Kapelle bringen. Dort sollen Sie ihn wieder sehen und wissen, dass er von allem Leiden erlöst ist und seinen Frieden gefunden hat.“
Benedicta sagte kein Wort, und der Herzog bemerkte, dass sie nicht imstande war, auch nur einen Schritt zu tun.
Seine Arme umschlossen sie fester, dann bückte er sich und hob sie zärtlich hoch. Leicht lag sie in seinen Armen. So trug er sie in ihr Zimmer.
Das flackernde Kaminfeuer wies ihm den Weg zu ihrem Bett. Er legte sie in die
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