Gleichklang der Herzen
reizt.“
„Mich braucht nichts besonders zu reizen“, lachte Ravella. „Ich werde alles aufessen, was auf den Tisch kommt.“
Dabei tauchte sie ihren Löffel in die Schildkrötensuppe in ihrem Teller.
„Champagner, Miss?“, fragte der Butler.
„Ja, trink ein Glas!“, ermunterte sie der Herzog, als Ravella ablehnen wollte. „Es wird dir gut bekommen.“
„Einverstanden, wenn du möchtest, aber Champagner steigt mir in die Nase und kitzelt. Ehrlich gesagt, mag ich Limonade viel lieber.“
„Limonade passt nicht zu einer Wiedersehensfeier.“
„Das stimmt!“, sagte Ravella fröhlich. „Das Wiedersehen zwischen dir und mir, dem Vormund und seinem Mündel … und dabei könnte ich beinahe noch in dem fürchterlichen Zigeunerwagen stecken.“
Trotz Ravellas Entschluss, alles aufzuessen, musste sie aufgeben, ehe die zwölfte Schüssel des dritten Ganges serviert worden war. Der Herzog führte sie in den kleinen Salon, der sich an das Esszimmer anschloss und ebenfalls im Königin-Anne-Stil eingerichtet war.
Überall standen Blumen in kostbaren Vasen. Die Sofas lockten mit seidenen Kissen.
„Wie hübsch und gemütlich ist es hier!“, rief Ravella. „Es wäre fein, wenn wir immer hier oben bleiben könnten, anstatt die steifen Gesellschaftsräume unten zu benutzen. Ich wünschte mir auch, immer mit dir allein zu sein.“
Nach einer kleinen Pause sagte der Herzog: „Das ist nicht sehr schmeichelhaft für Lady Harriette.“
„Oh, ich wollte nicht unfreundlich sein! Lady Harriette ist reizend, und ich mag sie immer lieber, das weißt du doch. Aber am schönsten ist es für mich, mit dir allein zu sein, genauso wie Lady Harriette jetzt am liebsten mit Hauptmann Carlyon allein ist.“
„Die beiden sind jetzt glücklich“, bestätigte der Herzog. „Ich glaube, dass ich dir für dieses Glück zu danken habe.“
„Es war klug von mir, darauf zu kommen, nicht wahr?“
„Sehr klug, und nun ist Hugh Carlyon völlig verändert. Ich habe den Eindruck, dass du seither viele Menschen in meiner Umgebung günstig beeinflusst hast. Als du verschwunden warst, löste sich die Hälfte des Hauspersonals in Tränen auf. Nettleford war nicht einmal imstande, an jenem Abend zu servieren.“
„Er ist ein lieber, alter Mann. Früher war er bei deinem Onkel im Dienst, wie du ja weißt, aber er ist viel lieber bei dir.“
„Tatsächlich? Ich hatte immer gedacht, dass Nettleford den Haushalt meines Onkels vorziehen würde.“
„Nein, er bewundert dich sehr. Er hat mir gesagt, dass du das Zeug zu einem großen Herrn in dir hättest.“
„Das Zeug dazu?“ Der Herzog lachte. „Das ist allerdings ein großes Kompliment von Nettleford.“
Ravella nickte ganz ernst. „Ich denke oft, dass Dienstboten mehr Menschenkenntnis haben als wir. Sie sehen ihre Herrschaft ja, wenn die den gesellschaftlichen Zwang abgelegt hat und ganz sie selbst ist. Ich glaube, alle Bediensteten in Melcombe-Haus lieben dich sehr.“
„Das schmeichelt mir sehr“, sagte der Herzog ironisch, „nur fürchte ich, dass du dich in dieser Annahme irrst.“
Ravella gähnte ein wenig und kuschelte sich in die Kissen. „Könntest du mich lieben?“, fragte sie.
„Was sagst du da?“
Der Herzog fiel aus allen Wolken.
„Wenn ich dieses Kleid trage, versuche ich mir deine Gefühle für die Dame vorzustellen, die es damals trug. Ich glaube, unsere Liebe wäre ganz die Liebe, die Lord Wroxham für mich empfindet.“
„Das hoffe ich sehr“, erwiderte der Herzog bestimmt.
„Ich habe darüber in letzter Zeit viel nachgedacht. Ich weiß so wenig über die Liebe und habe darum kein Recht, sie zu verurteilen. Ich muss auf diesem Gebiet noch Erfahrungen sammeln. Ich dachte, es wäre so schön, wenn du mir zeigen könntest, wie bedeutende Menschen wie du lieben.“
„Ich fürchte, dein Einfall ist unpraktisch“, sagte der Herzog nüchtern. „Wenn Liebe wirksam sein soll, müssen zwei Menschen verliebt sein.“
„Daran habe ich noch gar nicht gedacht“, rief Ravella. „Da du nicht in mich verliebt bist, wäre es also nicht ganz echt und überzeugend.“
Sie seufzte. „Sehr schade, denn ich hätte so gern erfahren, was du dann sagst und tust. Ich würde auch so gern von dir geküsst. Mich hat bisher nur Lord Wroxham geküsst, und das zählt nicht. Es war grässlich, und ich möchte es vergessen.“
„Dann vergiss es doch“, riet ihr der Herzog.
„Es ist immer einfach, etwas Hässliches zu vergessen, wenn man stattdessen an etwas
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