Gleichklang der Herzen
Hübsches denken kann.“
„Eines Tages wirst du es sehr schön finden, geküsst zu werden“, versprach der Herzog.
„Meinst du? Ich weiß nicht recht.“
Einen Augenblick war sie still und nachdenklich, dann sank sie tiefer in ihre Kissen. Die Augen fielen ihr zu. Der Herzog schwieg und grübelte vor sich hin. Ravella atmete plötzlich tief und gleichmäßig. Sie war eingeschlafen.
Später fühlte Ravella benommen, wie sie jemand in die Arme nahm und trug. Diese Arme waren stark und behutsam zugleich. Sie brauchte die Augen nicht zu öffnen, denn sie wusste beglückt, wer sie trug. Sie wollte sprechen, wollte dem Herzog noch einmal sagen, wie herrlich alles war, aber sie war zu müde.
Still und friedlich lag sie in seinen Armen. Eine Tür wurde geöffnet, und man legte sie auf ein weiches Bett. Schlaftrunken ließ sie alles mit sich geschehen und fühlte sich wie in einem glücklichen Traum. Dann glitt sie aus den stützenden Armen und spürte einen Kuss auf ihren Lippen. Sie war selig und wollte den zauberhaften Augenblick festhalten, aber ihre Lider waren zu schwer.
Als Ravella aufwachte, fielen Sonnenstrahlen durch den Spalt zwischen den Vorhängen. Sie hatte lange und tief geschlafen und fühlte sich erfrischt und wohlig. Sie verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schaute zum Betthimmel hinauf, der reich geschnitzt war. Im Spiegel auf dem Toilettentisch, dessen Silberrahmen mit Putten geschmückt war, fing sich der Sonnenstrahl.
Ravella dachte jetzt an Adrian. Vor Freude über das Wiedersehen mit dem Herzog hatte sie gestern kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Sie war auf seinem Pferd nach Lynke geritten; ein Reitknecht hatte es dann nach Lynke Green zurückgebracht. Adrian hatte sie sehnsüchtig angeschaut. Vielleicht liebte er sie aufrichtig, vielleicht war damals sein Heiratsantrag unter dem Vorwand, ihren Ruf zu retten, doch ernst gemeint gewesen.
Ravella entschloss sich aufzustehen und zog die Klingelschnur. Kate kam angelaufen, zog die Vorhänge zurück und plapperte los.
„Sie haben sich gut ausgeruht, Miss? Das hatten Sie aber auch nötig. Habe ich doch gestern Abend zu Mrs. Mayhew gesagt, Miss Shane wird todsicher lange schlafen.“
„Wie spät ist es, Kate?“
„Fast Mittag, Miss. Ich habe Ihnen trotzdem das Frühstück gebracht, denn ich habe mir gedacht, dass Sie später auch noch den Lunch essen werden.“
„Sicher!“, lachte Ravella und setzte sich im Bett auf.
Ihr wurde ein warmes Frühstück serviert, und sie aß mit Appetit. Als sie fertig war und an einer zweiten Tasse Schokolade nippte, fragte sie Kate: „Ist Seine Gnaden schon aufgestanden?“
„Seine Gnaden ist vor einer Stunde nach London aufgebrochen.“
„Nach London!“ Ravella war ganz verstört. „Warum hat er mir das nicht gesagt?“
„Seine Gnaden wollte Sie nicht stören, aber er hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen. Er müsse aus wichtigen, geschäftlichen Gründen nach London, hoffe aber, morgen zurück zu sein. Seine Gnaden hat vorgeschlagen, dass Sie sich ausruhen sollten, Miss. Er würde Ihnen aus London Garderobe mitbringen.“
„Aber ich hätte ihn so gern gesprochen“, sagte Ravella tief enttäuscht. „Es gab noch so viel zu erzählen, und ich bin gestern Abend einfach eingeschlafen.“
„Das kann einen doch nicht wundern, Miss. Seine Gnaden hat sie ins Schlafzimmer getragen und dann nach mir geklingelt. Ich habe Sie ausgezogen. Sie haben sich nicht einmal gerührt, so müde waren Sie.“
„Er hat mich hinaufgetragen“, flüsterte Ravella.
Plötzlich war die Erinnerung wieder da, die unendliche Beglückung, die Seligkeit, die sie am ganzen Körper gespürt hatte. Es war also doch nicht nur ein Traum gewesen? Aber nun war er fort, und sie sehnte sich so sehr nach ihm.
„Hoffentlich gerät Seine Gnaden nicht in Schwierigkeiten“, sagte Kate beiläufig und nahm das Kleid auf, das Ravella gestern Abend getragen hatte.
„Warum sollte er, Kate?“
„Die Wegelagerer, Miss! Gerade ist mein Bruder Tom aus dem Dorf gekommen. Er arbeitet dort auf dem Pastorat. Tom hatte eine Botschaft für Seine Gnaden und bedauerte sehr, ihn nicht mehr anzutreffen. Also, Miss, was er erzählte, das betraf die Postkutsche, die heute Morgen aus London kam. Die wurde gleich hinter Hatfield aufgehalten.“
Ravella hörte der Kammerzofe gespannt zu.
„Es waren vier Wegelagerer, vielleicht sogar mehr, eine ganze Bande. Die hatten sich im Wald an der Straße versteckt. Der Wachmann hatte nicht mal Zeit,
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