Gleichklang der Herzen
mit, dass Romana fürchtete, er würde die Hand gegen sie erheben. Daher rückte sie mit ihrem Stuhl etwas zurück.
Aber er beachtete sie nicht. Er starrte finster vor sich hin, und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
„Sie müssen sich vor Lachen ausgeschüttet haben, dass ein solcher Dummkopf wie ich nichts von der Gefahr gemerkt hatte und blindlings in die Falle hineingetappt war.“
Romana erwiderte nichts. Nach einer Weile fuhr er fort: „Nun, Ihr Plan hatte Erfolg. Und jetzt sagen Sie mir besser auch noch das Schlimmste. Als ich Sie zum ersten Mal sah, dachte ich, dass Sie ein Dienstmädchen sind. Wenn ich Sie mir heute ansehe, vermute ich eher, dass Sie – wie Ihre kleine Freundin – eine Prostituierte sind.“
Die Verachtung, mit der er gesprochen hatte, ließ Romana für einen Augenblick ihre Angst vergessen. Nur Zorn beherrschte sie jetzt.
„Wie können Sie wagen, so etwas von Nicole zu sagen!“, rief sie. „Wie können Sie behaupten, dass sie nicht gut und anständig ist? Sie ist es immer gewesen!“
Sie stand auf und sah den Marquis fest an. Er blickte auf sie nieder und schien einen Moment überrascht. Dann wurde er zynisch: „Das ist also das Spiel, das Sie spielen? Sie markieren die Unschuld! Aber ich falle auf diesen alten Trick nicht herein. Nicole ist eine Hure, das wissen Sie ebenso wie ich. Sie lebt mit Kirkhampton, und sie hat vorher zweifellos schon mit Dutzenden anderer Männer genauso zusammengelebt.“
Er kam nicht weiter, denn Romana unterbrach ihn.
„Wie können Sie es wagen, so etwas zu sagen!“, schrie sie. „Das ist nicht wahr! Das ist gemein und böse! Ich höre mir solche Lügen nicht länger an!“
Sie hatte sich, während sie sprach, umgedreht, und lief nun zur Tür. Sie hatte sie noch nicht erreicht, als Mister Barnham in den Salon trat.
„Verzeihen Sie, Mylord …“ begann er. Aber er stockte mitten im Satz, als Romana sich in seine Arme warf.
„Bringen Sie mich fort von hier!“, flehte sie. „Bringen Sie mich fort! Ich kann hier nicht bleiben … bei diesem bösen, teuflischen Mann!“
Mister Barnham legte die Arme um sie und sah zum Marquis hinüber, so als erwarte er eine Erklärung.
Ehe er etwas sagen oder tun konnte, brach Romana in Tränen aus. Sie hatte ihre Gefühle den ganzen Tag über beherrscht. Doch nun ließen ihre Angst vor dem Marquis und das Entsetzen, das sie bei seinen Worten erfasst hatte, diese mühsam gewahrte Beherrschung zusammenbrechen.
Sie weinte hemmungslos, und als Mister Barnham sie sanft zu dem nahen Sofa führte, meinte er, ein Kind vor sich zu haben, das er trösten und beruhigen musste.
Er half Romana, sich niederzusetzen. Aber sie klammerte sich an ihn und legte ihren Kopf gegen seine Schulter. So war er gezwungen, sich neben sie zu setzen und den Arm um sie zu legen.
„Bitte, was hat das zu bedeuten?“, fragte er ruhig und freundlich. „Sie waren bis jetzt so brav und klug. Was hat Sie so erregt?“
„Es ist … es ist dieser Mann“, schluchzte Romana. „Er hat gesagt, dass Nicole, die ich sehr liebe, eine Prostituierte ist!“
Sie stieß jedes dieser Worte hervor, und dann begann sie noch lauter zu schluchzen.
Mister Barnham sah den Marquis fragend an, und etwas verlegen erklärte dieser: „Ich habe nur versucht, die Wahrheit aus ihr herauszubekommen. Ich dachte, dass wir früher oder später doch den Tatsachen ins Auge sehen müssen.“
Mister Barnham drückte sein Missfallen nicht mit Worten aus. Doch seine Blicke zeigten deutlich, dass er das Vorgehen des Marquis für unklug und falsch hielt.
Romanas Tränen versiegten langsam. Mister Barnham meinte nach einer Weile: „Sollten wir nicht in aller Ruhe darüber sprechen?“
„Ich … ich will fort“, erklärte Romana. „Ich möchte nach Hause zurück. Bitte, geben Sie mir Geld, damit ich von hier weggehen kann. Dann müssen Sie mich auch nie wieder sehen.“
„Ich fürchte, das ist nicht möglich“, antwortete Mister Barnham. „Ich bin sicher, dass Sie später, wenn die Dinge nicht mehr so kompliziert sind wie jetzt, Ihre Freunde besuchen können, wenn Sie das möchten.“
„Ich möchte von hier fort“, flüsterte Romana.
„Das kann ich verstehen“, erwiderte Mister Barnham. „Es war ein großer Schock für Sie und auch für den Marquis. Das müssen Sie bitte bedenken.“
„Warum sollte ich das?“, fragte Romana. „Er ist schrecklich, und er erzählt grausame Lügen. Ich will nicht länger in seiner Nähe bleiben!“
Mister
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