Gleichklang der Herzen
würde. Während er auf ihn und Romana wartete, versuchte er sich vorzustellen, wie die Frau aussah, die er geheiratet hatte.
Er konnte sich aber nur an das feuerrote Mal auf ihrer Wange erinnern. Dieses Mal hatte das Gesicht grotesk aussehen lassen. Und ihre Kleider waren so entsetzlich altmodisch gewesen! Er dachte an seine elegante Mutter. Sie hatte den kostbaren Schmuck der Sarnes wie eine Königin getragen. Er erinnerte sich noch daran, wie sie als Gastgeberin hier in Schloss Sarne im großen Ballsaal tausend Gäste begrüßt und mit ihrem Charme bezaubert hatte. Die Gesellschaften der Marquise von Sarne waren immer erfolgreich und überall berühmt gewesen.
Der Marquis wünschte sich das auch von seiner Frau. Und er gestand sich jetzt ein, dass er vielleicht aus diesem Grund noch nicht geheiratet hatte. Denn er hatte noch nie eine Frau kennengelernt, die er so bewundert und respektiert hatte, dass sie den Platz seiner Mutter einnehmen konnte.
Und nun sollte an diesem Platz eine ganz gewöhnliche, einfältige Landpomeranze stehen? Vielleicht irrte er sich auch darin, und sie war nichts weiter als ein Londoner Straßenmädchen.
„O mein Gott“, stöhnte er. „Warum musste mir das passieren?“
Und so war es für ihn wie ein spöttisches Echo, als der Kammerherr verkündete: „Die Marquise von Sarne und Mister Barnham!“
Die Frau bewegte sich langsam auf ihn zu. Der Marquis zwang sich mit beinahe übermenschlicher Anstrengung, sie anzublicken.
Was er aber nun sah, war nicht das, was er erwartet hatte. Vor ihm stand keine plumpe, hässliche Person, sondern ein zartes, anmutiges Wesen mit sehr großen Augen, die das schmale, ausdrucksvolle Gesicht zu beherrschen schienen.
Doch zu seinem Erstaunen entdeckte der Marquis den Ausdruck von Angst in diesen Augen und, er wollte es kaum glauben, es lag auch Hass in ihrem Blick.
4. KAPITEL
Romana schritt langsam die Treppe hinunter. Sie war nervös, weil sie nicht wusste, wohin sie sich wenden sollte. Erleichtert sah sie dann, dass der Kammerherr in der Halle auf sie wartete.
Sie trug eines der neuen Kleider, die man in London für sie hatte anfertigen lassen. Es war so schön und elegant, dass sie es auf einem Ball hätte tragen können. Stattdessen trug sie es zu einem Abendessen mit dem Mann, dem man sie angetraut hatte. Allein schon der Gedanke an ihn ließ sie zittern.
Alle Sachen, die Mister Barnham in London bestellt hatte, waren sehr teuer und völlig verschieden von dem, was Romana vorher besessen hatte. Sie hatte nun das Gefühl, dass sie gezwungen war, eine neue Rolle zu spielen, die eigentlich zu einer anderen Person gehörte.
Als sie in den Spiegel sah, fand sie, dass sie ganz anders aussah als das Mädchen, das vor wenigen Tagen mit der Postkutsche nach London gekommen war.
Zur gleichen Zeit war sie sich der Angst bewusst, die in ihr steckte und die auch aus ihren Augen sprach. Sie hoffte, dass der Marquis es nicht bemerken würde.
Der Kammerherr verbeugte sich vor ihr.
„Guten Abend, Mylady. Ich bin beauftragt, Sie in den Silbernen Salon zu leiten, wo Seine Lordschaft wartet.“
Es lag Romana auf der Zunge zu sagen, dass sie lieber sonst wohin gegangen wäre, um Seiner Lordschaft nicht gegenübertreten zu müssen. Doch sie wusste, dass die Situation, in die sie geraten war, es erforderte, dass sie sich wie eine Dame benahm. So würden es auch ihre Eltern von ihr erwartet haben.
Romana zwang sich zu lächeln und folgte dem Kammerherrn durch die Halle.
Der Silberne Salon war nicht der Raum, in dem sie dem Marquis am frühen Nachmittag begegnet war, als er sie nach ihrer Reise gefragt hatte.
Als sie ihn betrat, sah sie, dass er wunderschön ausgestattet war. Gemälde zierten die Wände, und ein kostbarer Aubusson-Teppich mit einem Muster aus Blumen und blauen Bändern bedeckte den Boden.
Doch war es ihr unmöglich, den Salon in Augenschein zu nehmen, denn ihr Blick wurde wie magisch von der Gestalt angezogen, die am Kamin lehnte. Der Marquis wirkte beängstigend groß und überwältigend. Und er sah in der Abendkleidung ungewöhnlich attraktiv aus.
Er war allein im Raum. Romana hatte gehofft, dass auch Mister Barnham anwesend sein würde. Sie zwang sich dazu, langsam auf den Marquis zuzugehen. Sie machte einen leichten Knicks, als sie ihn erreichte.
„Möchten Sie ein Glas Champagner?“, fragte der Marquis.
Romana sah erst jetzt, dass ihr ein Diener in den Salon gefolgt war. Er hielt ein Silbertablett mit einem Glas in den Händen.
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