Gleichklang der Herzen
hoch am Himmel stand und der ganze Garten von silbernem Licht überflutet war.
Romana öffnete die Terrassentür und war sich der Gefahr bewusst, dass jemand, der sie von drinnen beobachtete, sie für einen Einbrecher halten musste.
Doch es war tiefe Nacht und daher sehr unwahrscheinlich, dass im Haus noch irgendein Mensch wach war. Romana lief über das weiche Gras und hielt sich dabei im Schatten der Büsche, bis sie am Ende des Gartens die Bäume erreichte.
Es dauerte eine Weile, bis sie die gesuchte Pforte fand, aber schließlich war sie da, und im Mondlicht entdeckte Romana, dass die Tür von innen verriegelt war.
Es machte ihr jedoch keine Mühe, diesen Riegel zur Seite zu schieben. Sie öffnete die Tür und trat hinaus.
Da lagen die Ställe vor ihr, und nun galt es, jemanden zu finden, dem sie vertrauen konnte.
Während Romana sich angekleidet hatte, hatte sie sich zu erinnern versucht, was der Marquis ihr nach ihrer Ankunft in Sarne während des Abendessens über seine Pferde erzählt hatte.
Plötzlich war es ihr wieder eingefallen.
„Ich bin in der glücklichen Lage, hier in Sarne einen ausgezeichneten Trainer zu haben“, hatte er erklärt. „Cowles ist ein in jeder Beziehung hervorragender Mann. Er versteht genauso viel von Pferden wie ich.“
Jede andere Frau hätte erwidert, dass das ganz unmöglich sei, Romana hatte ihm jedoch nur schweigend zugehört.
„In London habe ich Archer“, hatte der Marquis berichtet. „Und ich kann Ihnen versichern, dass er schon im Voraus weiß, wann ein lohnendes Pferd auf dem Markt ist. Er hat das schon heraus, noch bevor der Besitzer entschlossen ist, es endgültig zu verkaufen.“
,Archer’, das ist der Name, dachte Romana jetzt.
Sie überquerte den mit Kopfstein gepflasterten Hof und klopfte an das geschlossene Stalltor.
Zunächst geschah nichts. Romana fürchtete, wenn sie zu viel Lärm machte, könnte sie jemand vom Haus aus hören. Doch es half nichts, sie musste noch einmal klopfen.
Schließlich fragte eine verschlafen klingende Stimme: „Was ist los? Wer ist da?“
Gleich darauf wurde das Stalltor geöffnet, und ein junger, ganz schläfriger Stallbursche mit Stroh in den Haaren blinzelte sie überrascht an.
Romana wusste, dass er Dienst tun musste für den Fall, dass eine Kutsche oder ein Pferd gebraucht wurden. Er wurde augenblicklich wach, als sie sagte: „Ich möchte dringend Mister Archer sprechen. Hol ihn mir!“
„Ja, Mylady, sofort.“
Er lief ans andere Ende des Stalles, wo eine sehr schmale Holztreppe zum Dach hinaufführte.
Romana wartete. Aus den Boxen war das leise Scharren der Pferde zu hören. Sie spürte den Geruch von Heu und Leder, aber auch das Gefühl drohender Gefahr. Gefahr für den Marquis.
Sie hatte bis jetzt noch keine Zeit gehabt, über die Schreckensbotschaft von Nicole nachzudenken. Lord Kirkhampton wollte gegen seinen Feind zum letzten Schlag ausholen, um ihn endgültig zu vernichten.
Plötzlich kam ihr eine Vision. Sie sah den Marquis tot am Boden liegen, während seine Meuchelmörder zwischen den Bäumen untertauchten, um nie für ihr Verbrechen büßen zu müssen.
Romana war sicher, dass Lord Kirkhampton seinen Plan so angelegt hatte. Niemand würde ihn mit dem Mord in Verbindung bringen, außer Nicole oder seine Komplizen würden reden. Doch gerade diese Leute hätten viel zu viel Angst, um das zu tun.
Selbst wenn Nicole gegen den Lord aussagte, wer würde ihr glauben, wenn Lord Kirkhampton alles leugnete?
Weil sie nur eine Tänzerin war und in Sünde lebte, wäre das Gericht schon voreingenommen, ehe sie überhaupt den Mund aufmachte.
Lord Kirkhampton konnte also ganz sicher sein, dass er niemals vor ein Gericht käme. Wenn der Marquis einmal tot war, wer würde dann wissen, wen es anzuklagen galt? Und wer würde sich noch die Mühe machen, einen Schuldigen zu suchen?
Es darf nicht geschehen, dachte Romana verzweifelt. Es darf nicht sein!
In diesem Augenblick hörte sie, wie jemand die Treppe herunterkam. Dann sah sie einen kleinen, drahtigen Mann, der seltsamerweise genauso aussah, wie sie sich ihn vorgestellt hatte.
Er eilte mit großen Schritten auf sie zu und hob zum Gruß die Finger an die Stirn.
„Sie wollten mich sprechen, Mylady?“
„Bist du Archer?“
„Ja, Mylady?“
„Ich brauche deine Hilfe“, erklärte Romana.
Sie sah, dass der Stalljunge noch hinten an der Treppe herumlungerte, und sagte: „Ich muss dich allein sprechen.“
Archer öffnete das Stalltor, und sie gingen
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