Gleichklang der Herzen
entdeckt wurden. Möglicherweise würden Tage darüber vergehen.
Doch die Pferde würden frei herumlaufen, und früher oder später würde die Polizei von den Toten erfahren. Und bei der Identifizierung würde sich dann herausstellen, dass einer von ihnen ein Adliger war.
Man wurde daraufhin verschiedene Vermutungen anstellen und die Angelegenheit dem Magistrat vortragen müssen.
Da sich Lord Kirkhampton in der Begleitung von zwei Männern befunden hatte, die ganz offensichtlich Kriminelle waren, lag zunächst der Verdacht nahe, dass sie ihn erschossen hatten.
Es konnte auf der anderen Seite jedoch auch sein, dass alle drei Männer Straßenräubern zum Opfer gefallen waren. Denn die Straße nördlich von London war berüchtigt wegen ihrer Wegelagerer und Straßenräuber, die nicht nur Kutschen ausraubten, sondern auch als Revolverhelden gefürchtet waren.
Mit einem dieser Männer konnte Lord Kirkhampton in einen Konflikt geraten sein. Und so bestand kein Grund dafür, dass man seinen Tod mit dem Marquis in Verbindung bringen würde.
Auf jeden Fall war es klüger, so weit wie möglich vom Tatort entfernt zu sein. Romana konnte daher verstehen, dass der Marquis, kaum dass sie das Gasthaus „Zum grünen Drachen“ erreicht hatten, sofort anordnete, dass man seine Kutsche vorfahren ließ. In der Zwischenzeit wurden Romana Kaffee und etwas zu essen gebracht.
Die Pferde, die sich seit der Ankunft des Marquis am Vorabend hatten ausruhen können, waren nun frisch und hielten die gewünschte Geschwindigkeit gut durch.
Trotz der Eile, in der sich der Marquis befand, hatte er Ben vor der Abfahrt noch genaue Instruktionen gegeben, dass Romanas Pferd langsam und schonend zurückgebracht werden sollte.
Voller Genuss trank Romana ihren Kaffee. Erst jetzt bemerkte sie, wie durstig sie gewesen war.
Doch von den Gerichten, die der Wirt vor sie auf den Tisch stellte, hatte sie nur wenige Bissen essen können.
Ein einziger Gedanke beherrschte sie noch immer: Der Marquis war gerettet.
Aber als sie jetzt an jene Minuten der Angst dachte, in denen sie den Tränen nahe gewesen war, musste sie feststellen, dass diese Erinnerung nun von einem wunderbaren neuen Gefühl verdrängt wurde, das sie empfunden hatte, als sie in den Armen des Marquis zum Gasthof zurückgeritten war.
Es schien ihr ganz unwahrscheinlich, dass sie den Marquis einmal so leidenschaftlich gehasst hatte und aus Angst, er könnte sie berühren, entsetzt vor ihm zurückgewichen war. Denn in seinen Armen hatte sie ein Glücksgefühl durchströmt, das sie nicht in Worte kleiden konnte. Sie wusste nun, dass sie nie mehr Angst vor ihm haben würde.
Wie ist es möglich, dass sich meine Gefühle für ihn so völlig verändert haben? fragte sich Romana.
Auch dies konnte sie nicht beantworten, obgleich sie meinte, die Antwort in ihrem Herzen finden zu können.
Hatten sie nicht eine wunderbare Gemeinsamkeit gespürt, als sie sich mit den Versen griechischer Dichter befassten? Und hatten sie nicht ein neues Gefühl des gegenseitigen Vertrautseins erfahren? Sie meinte jetzt, ihn schon lange zu kennen.
Und da sie sicher war, dass der Marquis sie verstehen würde, hatte Romana, als sie sich London näherten, erklärt: „Ich muss sofort zu Nicole.“
Sie hatte erwartet, dass er überrascht sein würde. Doch stattdessen erwiderte er: „Ich kann mir denken, dass es Nicole de Prêt gewesen ist, die Ihnen gesagt hat, dass Kirkhampton plante, mich zu ermorden.“
„Ja, sie war es. Sie ist in der letzten Nacht nach Sarne House gekommen. Es war zwei Uhr. Sie war verschleiert und hatte den Nachtwächter gebeten, mich zu wecken.“
„Haben Sie denn keine Angst gehabt?“
„Nein, nicht, als er mir sagte, dass eine Dame mich zu sprechen wünschte, die ihren Namen nicht nennen wollte. Als er in ihrem Auftrag die Worte ,Dingle Dell’ erwähnte, wusste ich, um wen es sich handelte.“
Der Marquis sah sie fragend an, und Romana erklärte ihm: „So hieß ein besonderes Plätzchen im Wald, wo Nicole und ich oft zusammen gespielt haben.“
„Und da wussten Sie, dass es Nicole de Prêt war, die unten wartete …“
„Ich bin sofort hinuntergeeilt“, sagte Romana. „Und ich fand sie im Empfangszimmer.“
„Waren Sie denn nicht überrascht, Nicole zu sehen?“
„Ich konnte nicht ganz verstehen, weshalb sie zu einer so ungewöhnlichen Stunde gekommen war, bis sie mir erklärte, dass Lord Kirkhampton gerade aufgebrochen sei, um nach Baidock zu reiten und Sie auf dem Weg
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