Gleichklang der Herzen
hatte sie ihn verloren!
Wie konnte er Nicole widerstehen? Nicole, mit ihren dunklen Augen, ihrer weißen Haut und ihrer ungewöhnlichen Anmut?
Sie werden glücklich sein, sehr glücklich, sagte sich Romana, und sie werden mich vergessen, denn ich bin für sie nicht länger wichtig.
Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Und sie versuchte, sich einzureden, dass sie froh sei, wenn Nicole, die sie so liebte, nach all dem Unglück mit Lord Kirkhampton nun endlich glücklich werden durfte.
Und weil sie den Marquis liebte, musste sie auch ihm Glückwünschen.
„Ich hätte alles getan, um ihn glücklich zu machen“, flüsterte sie vor sich hin. „Aber wenn ich mich mit Nicole vergleiche … was habe ich ihm zu bieten?“
Die Antwort auf diese Frage machte sie nur noch verzweifelter.
Nicole und der Marquis!
Sie meinte, die beiden vor sich zu sehen. Und kein Paar schien ihr jemals so attraktiv wie der Marquis, der an den Gott Apollo erinnerte, und wie Nicole, die, zart und schön, der Aphrodite ähnelte.
Die Tür wurde leise geöffnet. Romana schreckte aus ihren Gedanken auf und sagte: „Wer ist da?“
„Ich habe gerade überlegt, ob Sie wach sein könnten, Mylady“, antwortete Mrs. Mayfield. „Ich habe Ihnen den Tee gebracht.“
„Danke“, sagte Romana.
Mrs. Mayfield trat ins Zimmer und zog die Vorhänge zurück. Es war später Nachmittag. Schon wurden die Schatten der Bäume auf dem Vorplatz länger. Aber noch immer schien die Sonne und vergoldete alles mit ihrem Licht.
Doch Romana wusste, weshalb ihr dieses Licht nun weniger strahlend und golden erschien als auf ihrer Rückfahrt mit dem Marquis von Baidock nach Hause.
Sie setzte sich auf, und Mrs. Mayfield stellte ein Tablett neben sie mit einer silbernen Teekanne, einem Sahnekännchen und einer Zuckerdose mit dem goldenen Wappen des Marquis. Dazu eine Tasse aus feinstem Chinaporzellan.
„Ich habe Ihnen auch Sandwiches gebracht, Mylady, sowie verschiedene Kekse und Kuchen, falls Sie Lust darauf haben.“
„Ich bin nicht hungrig, danke“, erwiderte Romana. „Ich bin nur etwas durstig.“
Sie schenkte sich selbst eine Tasse Tee ein, während Mrs. Mayfield das Zimmer aufräumte. Dann fragte sie: „Ist Seine Lordschaft schon zurück?“
„Noch nicht, Mylady.“
Romana stellte ihre Tasse ab und lehnte sich in die mit Spitzen verzierten Kissen zurück.
Er ist so lange mit Nicole zusammen, dachte sie. Vielleicht schmieden sie Pläne und sprechen über ihre gemeinsame Zukunft, in der es für mich keinen Platz mehr gibt.
„Versuchen Sie nun, noch etwas zu schlafen, Mylady“, drängte Mrs. Mayfield sanft. „Sie sehen sehr müde aus, glauben Sie mir. Sie können noch ein gutes Weilchen schlafen, bis es Zeit für das Dinner ist.“
Romana antwortete nicht. Und als Mrs. Mayfield das Tablett nahm und den Raum verließ, dachte sie, dass es doch völlig gleichgültig sei, wie sie aussah.
Sie glaubte jetzt ganz sicher, dass der Marquis, falls er rechtzeitig zum Dinner zurückkehrte, doch nur an Nicole denken würde.
Romana versuchte, sich an einige Verszeilen aus den Gedichten ihres Vaters zu erinnern. Doch keines dieser Gedichte drückte die Gefühle aus, die sie jetzt bewegten. Und keines konnte ihr Frieden und Ablenkung geben wie früher.
„Alles, was ich mir jetzt wünsche, ist, dass der Marquis bald zurückkommt. Und da das unmöglich ist, befinde ich mich in einer leeren Welt, in der ich so entsetzlich allein bin…“
Und als sie wieder die Tränen aufsteigen fühlte, hörte sie ein Klopfen an ihrer Tür.
Bevor sie antworten konnte, trat der Marquis ins Zimmer.
Einen Augenblick dachte Romana, er sei ein Gebilde ihrer Fantasie, weil sie sich gerade so sehnsüchtig gewünscht hatte, dass er kommen möge.
Doch als er ihr nun zulächelte und langsam auf ihr Bett zuging, wusste sie, dass er Wirklichkeit war.
„Mrs. Mayfield sagte mir, dass Sie geschlafen haben. Fühlen Sie sich ausgeruht?“
„Ja, danke …“
Weil sie so überglücklich war, ihn vor sich zu sehen, und weil im Augenblick nichts anderes zählte, als dass er bei ihr war, streckte sie ihm ihre Hand entgegen, und er umfasste sie mit seinen beiden Händen.
Als Romana seine Berührung spürte, zitterte sie. Der Marquis musste es gefühlt haben, denn der Druck seiner Hände wurde stärker, und er sah sie forschend an.
Nach einer Weile sagte er: „Es scheint mir eine Ewigkeit her, seit ich heute Morgen aufstand und mich ankleidete, um zu der Auktion zu reiten. Es haben
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