Gleichklang der Herzen
hatte den Major gerettet.
Fest entschlossen hatte er sie wieder zu ihren Freunden zurückgeführt, obwohl ihr das gar nicht gefiel. Später zeigte sich, dass er sie sich damit zu einer unerbittlichen Gegnerin gemacht hatte.
Die Kaminuhr schlug die volle Stunde, und der Major blickte auf.
„Es ist ein Uhr! Wenn du morgen so früh wie üblich mit mir ausreiten willst, dann gehe ich jetzt lieber ins Bett!“
„Gute Idee“, bemerkte der Herzog. „Wir haben heute Abend geredet und geredet und sind der Lösung des Problems keinen Schritt näher gekommen.“
„Vielleicht fällt mir ja im Traum etwas ein“, meinte der Major scherzend, „aber sehr wahrscheinlich ist es wohl nicht.“
Auf dem Weg zur Tür merkte er, dass der Herzog keine Anstalten machte, ihm zu folgen.
„Bleibst du noch auf?“, fragte er.
„Ja, eine Weile. In der Armee musste ich mit ein paar Stunden Schlaf auskommen. Diese Gewohnheit habe ich beibehalten, besser gesagt, es fällt mir schwer, sie aufzugeben.“ Der Major gähnte.
„Nun, was mich angeht, ich bin müde. Gute’ Nacht, Nolan.“
„Gute Nacht, Bevil.“
Kaum hatte sich die Tür hinter seinem Gast geschlossen, nahm der Herzog eine Zeitung zur Hand, die auf dem Hocker vor dem Kamin gelegen hatte.
Er blätterte die Times auf, legte sie jedoch gleich darauf auf seinen Schoß und verfiel ins Sinnieren.
Wie konnte er Richard nur davon überzeugen, dass er im Begriff stand, den größten Fehler seines Lebens zu begehen? Der Junge war für ihn so etwas wie ein Rekrut, dem man noch alles beibringen musste. Sein Beschützerinstinkt meldete sich, ein Gefühl, das er vielen jungen Männern entgegengebracht hatte, die aus England gekommen waren und unter ihm in Portugal gekämpft hatten.
Sie fürchteten den unbekannten Feind und den Tod, noch mehr aber fürchteten sie, in den Augen der Kameraden feige zu erscheinen.
Er erinnerte sich, wie er sich unter seine Soldaten gemischt hatte, wie er mit ihnen gesprochen, sie ermutigt, ihnen Kraft gegeben hatte. Ein Rekrut musste Befehlen gehorchen. Richard dagegen war ein freier Mensch.
Der Herzog sah sich nachdenklich um. Wie schön die Bibliothek war, und wie friedlich.
Um keinen Preis konnte er zulassen, dass die Gesellschaft, mit der Delyth Maulden sich umgab, sein Haus in einen Rummelplatz verwandelte, wie er es des Öfteren in anderen Herrenhäusern beobachtet hatte.
Die Zügellosigkeit der jungen, reichen Nichtstuer, die seit der Jahrhundertwende ständig zugenommen hatte, war von den gesetzteren Mitgliedern der Gesellschaft scharf kritisiert worden.
Sie hatten aber mit ihrer Kritik nicht viel ausrichten können, denn der Prinz von Wales selber hatte dieses Verhalten gefördert, bevor er Prinzregent wurde.
Mit den Jahren war er zwar mäßiger und vorsichtiger geworden, doch die lange Reihe seiner nunmehr ältlichen Geliebten wurde von den Karikaturisten immer noch unbarmherzig gegeißelt.
Die Gesellschaft hatte einen Lebensstil entwickelt, den zu ändern nun sehr schwierig war. Einige der jungen Edelleute legten ein Benehmen an den Tag, das den Herzog wünschen ließ, sie seinem Befehl unterstellt zu sehen, damit er ihnen mit gehöriger Strenge, versteht sich, Lebensart und Manieren beibringen könnte.
Delyth Maulden nun galt als Anführerin einer ganzen Schar schöner junger Frauen, die unter Missachtung ihrer weiblichen Rolle an wilden Gesellschaften, wahnwitzigen Eskapaden und Ausschweifungen teilnahmen, die in der Vergangenheit ausschließlich Schauspielerinnen und Prostituierten vorbehalten gewesen waren.
Und sie sollte die zukünftige Herzogin von Kingswood sein! Delyth Maulden wusste nur zu gut, dass eine Ehe mit Richard ihr manche bis dahin verschlossene Tür öffnen würde und dass man sie als Herzogin von Kingswood sogar in Kreisen willkommen heißen musste, die ihr bisher die kalte Schulter gezeigt hatten.
„Herzogin von Kingswood!“
Zähneknirschend äußerte der Herzog diese Worte. Er wandte erstaunt den Kopf, als die Tür geöffnet wurde.
Ein Diener trat ein und wartete, bis der Herzog ihm seine Aufmerksamkeit zuwandte.
„Was gibt es?“
„Lord Tring ist gekommen, Euer Gnaden. Er möchte Sie sprechen.“
„Was? Um diese Zeit?“, rief der Herzog aus, um sogleich hinzuzusetzen: „Bitte Seine Lordschaft herein.“
Es dauerte nur wenige Sekunden, während sein Gast den Gang entlang geleitet wurde. Dann meldete der Diener: „Lord Tring, Euer Gnaden.“
Der Herzog sah seinem späten Gast auf den ersten
Weitere Kostenlose Bücher