Gleichklang der Herzen
„Der Herzog ist seinem Neffen sehr zugetan.“
„Dann werden Euer Gnaden ihn hoffentlich in Zukunft überzeugen können, sich nie wieder auf etwas so Unsinniges wie ein Duell einzulassen“, sagte Benedicta. „Ich war übrigens der Meinung, Duelle seien ungesetzlich.“
„Ja, das sind sie“, erwiderte der Herzog. „Aber wenn es um die Ehre geht, achtet man nicht auf Gesetze.“
„Das sollte man aber. Das Leben ist etwas so Kostbares, dass niemand es einem törichten Wahn opfern darf.“
„Nach diesem langen Krieg herrscht leider die Meinung vor, menschliches Leben sei nicht viel wert“, meinte der Herzog darauf.
Wenig später bemerkte er ablenkend zu Benedicta: „In einem der Salons hängt ein Bild, das ich Ihnen gern zeigen würde.“
Dabei warf er dem Major einen Blick zu, der diesem zu verstehen gab, er sei jetzt überflüssig. Sein Freund verstand sogleich und verschwand in die Bibliothek.
Der Herzog führte Benedicta nun in einen geräumigen, sehr gemütlich eingerichteten Salon, der nur bei großen Gesellschaften benutzt wurde.
An einer der Wände hing ein Bild von Cranach, das die ,Flucht der Heiligen Familie aus Ägypten’ darstellte. Benedicta betrachtete es mit leuchtenden Augen.
Es war ein berühmtes und sehr schönes Bild, auf dem das Jesuskind von kleinen Engelchen umgeben war.
Die Farben, der Ausdruck der Gesichter und das Strahlende, das von dem Gemälde ausging, hoben es über viele andere Bilder dieser Art weit hinaus.
„Es ist wundervoll, einfach wundervoll“, sagte Benedicta halblaut. „Allein dass ich es sehen darf, erfüllt mich für alle Zukunft mit Dankbarkeit.“
„Ich wusste, es würde Ihnen gefallen.“
„,Gefallen’ ist ein völlig unzureichendes Wort“, protestierte sie. „Ich bin außer mir, hingerissen! Ich habe das Gefühl, es inspiriert mich.“
„Zu schade, dass nicht alle Menschen es sehen können. Es hat sicher eine stärkere Wirkung als tausend Predigten.“
Als der Herzog schwieg, fuhr sie fort: „Ich weiß, Sie meinen jetzt, andere Menschen müssten meine Empfindung nicht unbedingt teilen.“
„Woher wissen Sie, was ich denke?“
„Ich kann förmlich hören, was Sie denken. Sie haben natürlich Recht. Manchmal glaube ich, Papa vergisst bei all seiner Beredsamkeit, dass es viele Menschen gibt, die nicht verstehen, deren Ohren gar nicht aufnehmen, was er sagt.“
„Wir müssen trotzdem versuchen, ihnen zu helfen, und darüber möchte ich jetzt mit Ihnen sprechen, Benedicta.“ Das war das erste Mal, dass er sie beim Vornamen nannte, doch sie schien es nicht zu bemerken.
„Da Richard wieder bei Bewusstsein ist, möchte ich, dass Sie sich um ihn kümmern.“
Benedicta sah ihn erstaunt an.
„Richard hat eine schlimme Zeit hinter sich. Um offen zu sein, er hat sich in eine Frau verliebt, die seiner unwürdig ist. In eine Frau, die vielen Männern ihre Gunst schenkt.“
„Deswegen war er also in ein Duell verwickelt“, sagte Benedicta leise.
„Ja. Jetzt aber, da wir hoffen dürfen, dass er am Leben bleibt, müssen wir nicht nur seine Wunden heilen, sondern auch sein Gemüt.“
„Und wohl auch sein Herz.“
„Ja, sein Herz hat es wohl am nötigsten“, gab der Herzog ihr recht.
„Wie könnte ich ihm helfen?“
Ein feines Lächeln umspielte die Lippen des Herzogs, als er antwortete: „Das ist eine Frage, die nur wenige Frauen stellen. Sehen Sie nie in den Spiegel, liebe Benedicta?“
Sie blickte überrascht zu ihm auf. Dem Herzog wurde klar, dass sie noch nie im Leben auf den Gedanken gekommen war, ihre Schönheit für ein ganz bestimmtes Ziel einzusetzen.
„Ich glaube, ich verstehe Sie nicht …“, antwortete Benedicta errötend.
„Ich will mich ganz einfach ausdrücken: Sie müssen Richard zum Lachen bringen, ihn bei Laune halten und alles, was in Ihrer Macht steht, tun, damit er die Frau vergisst, in die er verliebt zu sein glaubt.“
Wieder sah ihn Benedicta ganz erschrocken an.
„Männer sind wie Kinder“, sagte der Herzog leise. „Sie laufen einer Sache nach, die ihnen gefällt, nur weil sie strahlt und funkelt. Wenn sie sie in den Händen halten, entdecken sie, dass sie grell, billig und der Mühe nicht wert ist.“
„Aber erkennt Richard nun seinen Irrtum?“
Der Herzog wusste, dass sie mit dieser Frage den wichtigsten Punkt berührte, von dem seine Zukunftspläne abhingen. „Das wird an Ihnen liegen …“, sagte er leise.
Nach kurzem Zögern erwiderte sie: „Ich kann nicht glauben, dass jemand, der
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