Gleichklang der Herzen
und interessiert teilgenommen, dass sich der Herzog vor Staunen nicht fassen konnte.
In gewisser Weise war es für ihn ein ernüchternder Gedanke, dass er und der Major ihr wahrscheinlich uralt vorkamen, denn er hatte inzwischen erfahren, dass sie erst neunzehn war.
Gleichzeitig aber setzten ihn ihr Wissen und die Art es auszudrücken, dazu ihre Diskussionsfreudigkeit über Themen, die normalerweise außerhalb des Interessengebietes junger Damen lagen, in Erstaunen, ja, er war fasziniert, wie er sich selbst eingestehen musste.
Er hatte auch erfahren, dass der Reverend Aaron Calvine ein Gelehrter von einigem Ruf war.
Der Geistliche hatte in Oxford klassische Sprachen studiert und eine Dissertation über die Heilige Schrift verfasst, die in London veröffentlicht worden war.
Damit hatte er zwar kein Geld verdient, sich aber die Achtung seiner Standesgenossen und vieler Gelehrter im ganzen Land erworben, wie die zahlreichen Briefe bewiesen, die er von überallher erhielt.
„Warum hat Ihr Vater nicht weitergeschrieben?“, hatte er Benedicta gefragt.
„Ihm war das zu unpersönlich“, hatte sie geantwortet. „Er, glaubte, dass Menschen, die mit Sorgen belastet sind, des persönlichen Zuspruchs bedürfen, und den versucht er ihnen zu geben.“
Was Benedicta sagte, hatte den Herzog zum Nachdenken angeregt. Ihm war aufgefallen, dass ihre Gespräche bei Tisch von einem höheren Niveau waren, als er es je in London oder Kingswood erlebt hatte.
Nach dem Essen hatte sie gefragt: „Soll ich mich zurückziehen, Euer Gnaden, damit Sie und Major Haverington in Ruhe den Portwein genießen können?“
Das hatte sie so ungekünstelt gesagt wie ein Kind, und er hatte lächelnd erwidert: „Weder der Major noch ich sprechen dem Portwein besonders eifrig zu. Bleiben Sie doch noch ein wenig, wenn unsere Gesellschaft Sie nicht langweilt.“
„Niemals“, hatte sie geantwortet. „Es ist für mich sehr aufregend, mit Ihnen zu speisen, noch dazu in dieser prachtvollen Umgebung.“
„Ich habe mein Versprechen, Ihnen meine Gemälde zu zeigen, nicht vergessen. Sie müssen mir sagen, was Sie sonst noch gern unternehmen würden.“
„Ja, da wäre noch etwas.“ Benedicta hatte gezögert. „Verzeihen Sie mir die Bitte. Dürfte ich mir wohl einige von Ihren Büchern ausleihen? Ich werde sehr sorgsam damit umgehen.“
„Aber natürlich. Meine Bibliothek steht zu Ihrer Verfügung …“
Sie hatte einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, ein deutliches Anzeichen dafür, dass sie eine Ablehnung befürchtet hatte.
„Wie wundervoll, Bücher zum Lesen zu haben. Wir konnten nur Papas Bibel mit uns nehmen, und die kenne ich langsam auswendig.“
„Nun, dann eröffnen sich ja für Sie neue Horizonte auf literarischem Gebiet“, hatte der Herzog sie geneckt. „Wie steht es mit Ihren Französischkenntnissen?“
„Mein Latein ist besser. Papa hat es mich gelehrt, und dazu ein wenig Griechisch.“
Der Herzog hatte sie augenzwinkernd angesehen.
„Sicher werden Sie entdecken, dass die lateinischen und griechischen Bücher in der Bibliothek noch gewichtiger sind als die Bibel. Langsam gelange ich zu der Ansicht, Miss Calvine, dass Ihre Bildung gewaltige Lücken aufweist, und zwar auf dem Gebiet der frivolen Unterhaltung.“
Einen Augenblick lang hatte sie ihn erstaunt angesehen. Dann aber hatte sie gemerkt, dass er sie nur aufziehen wollte: „Sie werden sehen, dass ich auch auf diesem Gebiet eine eifrige Schülerin bin, Euer Gnaden.“
Mit einem Ausruf des Entzückens hatte sie die Hände ausgestreckt.
„Dieses Haus enthält eine ganze Welt des Wissens! Den ganzen Tag über habe ich mir gesagt, wie überaus dankbar ich sein muss, dass ich hier sein darf.“
Und beinahe schuldbewusst setzte sie hinzu: „Ich bin ja so dankbar, dass Papa jetzt ein Dach über dem Kopf hat und richtig gepflegt werden kann.“
„Es war ein Glück, dass Sie uns gesehen haben“, hatte der Herzog erwidert.
„Ich betete um Hilfe, und da kamen Sie auch schon. Sie kamen im Sonnenschein über die Felder geritten.“
Ihre Art zu reden hatte tatsächlich etwas Bewegendes gehabt, sodass der Herzog dem Major Recht gab, der Benedicta als Antwort auf ihre Gebete bezeichnet hatte.
Irgendwoher war ihm ein Satz in den Sinn gekommen, den er laut aussprach: „Es heißt nicht umsonst, Gottes Wege sind unerforschlich.“ Das hatte er halb spottend gesagt, weil er nicht daran glauben wollte, dass es sich bei ihrer Begegnung um etwas anderes als einen
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