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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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schlich zur Tür. Der Sessel, in dem der Fettklumpen saß, hatte sich in einen vibrierenden Liegestuhl verwandelt. Der Bauch unter der Trainingsjacke wackelte wie ein Wasserbett. Der Trainingsanzug war aus dem gleichen weichen Stoff wie Kinderschlafanzüge. Dollys jüngster Sohn hatte so einen.
    Gieles räusperte sich. Sofort hob sich die Rückenlehne.
    Der Mann drückte auf einen weiteren Knopf, worauf die untere Hälfte seines Körpers doppelt so schnell wackelte wie vorher. Dann ließ er das Beinteil herunter.
    »Dieser Sessel kann dreidimensional massieren«, sagte er.
    »Möchten Sie auch etwas trinken?«, fragte Gieles. Ihm fielnichts anderes ein. Den Namen hatte er vergessen. Super? Und dann? Etwas mit W.
    Super Wabbel?
    »Hab schon«, antwortete der Mann und zeigte auf einen Beistelltisch neben dem Massagesessel. Gieles sah Mineralwasserflaschen und einen Stapel Bücher. »Und sag bitte einfach Du. Setz dich doch einen Moment. Ja, dort. Mach’s dir bequem.«
    Gieles setzte sich auf die Kante des Ledersofas und klemmte die Cassis-Dose zwischen die Knie. Die Wand gegenüber war eine einzige große Berglandschaft. Es war das erste Mal, dass er diese Art von Tapete sah. Die Gipfel waren schneebedeckt, der See im Tal spiegelte die Bergkette. Alles wirkte so echt, dass ihm von dem Anblick kalt wurde. An einer anderen Wand hingen seltsame Gemälde von burgartigen Gebäuden. Seltsamer als das Abgebildete waren aber die Farben. Fluoreszierendes Violett und Orange, Giftgrün, Kanariengelb. Es tat seinen Augen weh.
    »Die großen drei. De Lynden, De Cruquius und De Leeghwater«, erklärte der Mann, der seinem Blick gefolgt war. »Denen ist es zu verdanken, dass wir jetzt hier sitzen. Gott schuf die Welt, aber die Holländer erschufen Holland. Zusammen haben diese Pumpwerke das gesamte Haarlemmermeer leergeschlürft.«
    Gieles schaute sich die Bilder mit den hysterischen Farben noch einmal genauer an und erkannte Dampfpumpwerke.
    »Ich muss für die Schule einen Aufsatz über die Geschichte der Pumpwerke schreiben«, sagte er.
    Super Wallach?
    Der Mann hob den Kopf und schaute ihn erfreut an. »Na, dann bist du hier genau richtig. Ich weiß alles über die Pumpwerke. Ich mache da auch … das heißt, ich habe dort früher auch Führungen gegeben.«
    Die untere Hälfte seines Körpers vibrierte immer noch. Seine Socken waren makellos weiß. Gieles fragte sich, wo die Schuhe geblieben waren.
    »Mich persönlich beeindruckt De Cruquius am meisten. Manche haben sie als kotzendes Monster bezeichnet. Aber ich finde sie wunderschön mit ihren runden, viktorianischen Formen. Sie war einmal das größte Schöpfwerk der Welt. Kein anderes konnte so viel Wasser abpumpen. Wusstest du, dass De Cruquius den weltweit größten Zylinder hat?«
    Er schaltete die Massagefunktion ab. Kurz darauf kam die wabbelnde Fleischmasse zur Ruhe.
    »Es ist nicht immer schön, der Größte zu sein, aber im Fall von De Cruquius ist es ein Verdienst, finde ich.«
    Sie schwiegen beide. Gieles wollte gerade aufstehen und sich verabschieden, als der Mann plötzlich fragte: »Hast du Hobbys? Ich liebe die Schweizer Alpen und Dampfpumpwerke.«
    Verwundert starrte Gieles ihn an.
    »Ach ja«, fuhr der Mann lächelnd fort, »außerdem mag ich Countrymusik. Und du?«
    Er schien ehrlich interessiert zu sein.
    »Ich, äh, ich liebe Tischtennis«, stammelte Gieles. »Und Gänse.«
    »Du liebst Tischtennis und Gänse« sagte der Mann und stemmte sich hoch.
    »Na ja, was heißt ›lieben‹. Ich finde sie witzig. Zu Hause habe ich zwei. Es sind amerikanische. Tufted-Buff-Gänse, mit so einer Haube. Sie sehen aus, als hätten sie eine Beule auf dem Kopf.«
    »Sind es Haustiere?«, fragte der Mann. »Ich meine, leben sie im Haus?«
    Gieles grinste und umklammerte fest seine Dose. »Nein, dann würden sie alles vollkacken. Sie können draußen frei laufen, aber eigentlich sind sie wie Haustiere. So wachsam wie Hunde. Wenn ein Unbekannter kommt, bellen sie, und wenn sie mich sehen, wedeln sie mit den Schwänzen. Es sind zwei Weibchen«, fügte er hinzu. »Sie können auch mit dem Schnabel die Küchentür aufdrücken. Onkel Fred, der Zwillingsbruder von meinem Vater, ist davon nicht so begeistert. Weil sie eben überall hinscheißen und alles fressen, was sie finden. Onkel Fred nennt sie gefiederte Staubsauger.«
    Der Dicke lachte ansteckend.
    »Sie sind auch ganz schön schlau«, ergänzte Gieles schnell. »Ich trainiere sie für ein spezielles Projekt. Darüber kann

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