Gleitflug
wiederzusehen …«
Ide starrte den Bauern an. Er hatte nicht einmal gewusst, dass er den Pferden Namen gegeben hatte. Der Bauer schien jetzt vor sich selbst zu erschrecken, schnell nahm er einen Nagel aus der Kiste, lang und stark, dessen Spitze er dem Pferd auf die Stirn setzte. Ide wurde unruhig, er begann zu pfeifen und warf ein weiteres Brett auf die Äste.
»Jetzt mal ruhig, Warrens!«, piepste der Bauer, als das Pferd den Kopf erschrocken zur Seite drehte. Er wartete, bis es wieder stillhielt, und setzte erneut den Nagel auf das Fell, als wolle er ein Bild daran aufhängen, sobald er eingeschlagen war.
»Nun denn, Bruintje. Auf«, sagte er, hob schnell den Hammer und trieb den Nagel gerade ins Hirn. Ide kniff die Augen zu. Er hörte das Pferd wimmern und wollte die Finger ganz fest in die Ohren stecken, aber der Bauer rief nach dem Eimer. Ide warf ihm den Eimer zu, er traf ihn mit dem Rand an der Schulter. »Verdammt«, fluchte der Bauer und nahm ein Messer aus der Kiste. Es kostete ihn Mühe, auf dem Brett zu bleiben, weil der Pferdekopf in alle Richtungen ausschlug. Schleim lief aus dem zuckenden Maul, die Augen rollten.
Obwohl Ide immer wieder wegschaute, sah er, wie sich der Bauer flach aufs Brett legte und den Eimer in den Schlamm direkt vor der Pferdebrust drückte. Das tropfende Maul hing nun schwer auf dem Rücken des Mannes, Flecken bildeten sich auf der Joppe. Als der Eimer so tief eingesunken war, dass der Bauer das Herz gut erreichen konnte, stach er das Messer fest in die Brust. Er bewegte die Klinge ein paarmal hin und her, bis das Blut in Wellen herausströmte. Dann schob er den Pferdekopf zur Seite und richtete sich auf. »Das passt niemals in den Eimer! Hol die Flaschen! Beeil dich!«
Ide rannte zur Schubkarre und wieder zurück. Er reichte die beiden Steingutflaschen dem Bauern, der die Öffnungen in den Blutstrom hielt. Höchstens anderthalb Eimer konnte er so auffangen, der Rest färbte den Schlamm rot. Ein schwerer, süßlicher Geruch drang ihnen in die Nasen.
»Schade drum«, sagte der blutverschmierte Bauer und zeigte mit dem Kopf auf den roten Tümpel, in dem das Pferd nun wie ein Braten in einer Soße lag. Er trank ein paar Schlucke aus der Flasche und hielt sie dann Ide unter die Nase.
»Es ist noch warm. Mit dem Rest gießen wir die Obstbäume. Macht die Äpfel schön rot.«
Ide wollte nicht kindisch sein und trank ebenfalls einen Schluck. Es schmeckte nach Rost. Unwillkürlich schaute er das Pferd an. Mit der heraushängenden Zunge und den glasigen, fast aus den Höhlen quellenden Augen sah es dumm aus.
Auch der Bauer betrachtete es. »Mausetot«, murmelte er und nahm wieder das Messer aus der Kiste. »Ich schneide, du karrst.«
Bis zum Abend waren sie damit beschäftigt, das Pferd zu zerlegen. Der Bauer versuchte es möglichst ordentlich abzuhäuten, aber das Ergebnis war niederschmetternd. Weil der Kadaver so tief im Schlamm steckte, riss das Fell beim Häuten in Fetzen, und bald sah das Pferd wie angefressen aus, oder wie das Zebra, von dem Ide einmal eine Abbildung gesehen hatte. Nach dem Abhäuten setzte der Bauer das Messer direkt hinter den Ohren an und schnitt den Kopf über den Halswirbeln ab. Bis auf das Geräusch der reißenden Halssehnen war es still auf dem Polder. Der Bauer und Ide sprachen kein Wort, sie brauchten ihre ganze Kraft für die Arbeit. Zusammen schleppten sie den abgehäuteten Kopf zur Schubkarre, und Ide schob sie zu den Hütten zurück. Unterwegs vermied er jeden Blick auf seine Fracht.
Nach dem Kopf sägte der Bauer den Hals ab, und als auch die Schweifrübe und der Teil mit Enddarm und Scheide herausgeschnitten waren, hatte der Kadaver keine Ähnlichkeit mehr mit einem Pferd. Zwischen den Ästen und Brettern lag ein abstoßender Berg weißrosa Fett, hier und da mit einem winzigen Rest Fell. Während der Bauer sich mühsam auf den Brettern im Gleichgewicht hielt, zerteilte er die Hinterbacken. Ide half ihm, sonst wurden sie niemals rechtzeitig fertig. Im Knien schnitt er ungleichmäßige Stücke aus dem Fleisch, der ekelhafte Geruch machte ihn lüstern. War es der Geruch oder das Hacken ins Fleisch? Er wusste es nicht.
Als schätzungsweise drei Zentner abgeschnitten und weggekarrt waren, aßen sie im Schatten der größten Hütte Brot. Ide schob sich einen Bissen in den Mund und betrachtete den rotbraunen Bauern. Ein grässlicher Anblick, und er selbst sah sicher nicht viel besser aus. Vor dem Schuppen, in dem sie das Fleisch untergebracht
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