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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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dorthin. Aber Eure Aufgabe ist lediglich, die Einladung zur Versammlung in Achallader zu überbringen. Ihr braucht Euch nicht länger als eine Nacht dort aufzuhalten.«
    »Habt Ihr mich nicht gehört? Ich gehe überallhin. Aber nicht nach Glencoe.«
    »Mein Captain«, hatte Hill in seinem aufreizend altväterlichen Tonfall entgegnet. »Ihr wisst, dass dies der Verweigerung eines Befehls gleichkäme?«
    »Ich unterstehe nicht Breadalbanes Befehl.«
    »Aber dem des Herrn von Argyll. Und der hat Breadalbane volle Verfügungsgewalt über sein Regiment erteilt – auch wenn er an der Wirksamkeit des Planes zweifelt.«
    Womöglich hatte Rob erst in diesem Gespräch begriffen, was Soldatenleben bedeutete: Er, Rob Campbell, Laird vonGlenlyon, war nicht länger Herr über sich selbst. Sooft er eine eigene Entscheidung traf, drohten die verfluchten neunundsechzig Artikel ihm mit ehrverletzenden Strafen, wie er sie einst von seiner Mutter erhalten hatte. Damals hatte er sich geschworen, künftig der zu sein, der solche Strafen austeilte, nie mehr derjenige, aus dem sie ein winselndes Nichts machten. Rob glaubte zu spüren, wie Argyll ihn ansah, mit den gleichen verächtlichen bierbraunen Augen wie seine Mutter. Die meisten Campbells hatten Augen wie sie, allein Rob war mit zarten, himmelblauen Augen geboren, die an der Grobheit des Lebens zerbrachen.
    Er hatte sich umgedreht und Hill stehen lassen. Er hatte keine Wahl. Zwei Tage später war er nach Glencoe aufgebrochen. Als er jetzt in Richtung Loch Leven über die Scharte des Tales blickte, vergoss die Sonne über den Kämmen brandrot ihr letztes Licht. Der Anblick der Hütten, die sich in die Schatten der Felsriesen duckten, ließ ihn schaudern, und doch hatte dieser Ritt über das Moor etwas von einer Heimreise; als kehre ein Mann zu seinem Schicksal zurück.
    Hunde bellten. Am Signal Rock ertönte der Warnruf der Pfeifen, flog von Posten zu Posten bis nach Carnoch, und wie erwartet brachen kurz darauf Männer aus dem Unterholz, zogen Schwerter blank und zwangen seinen Trupp anzuhalten.  
    Rob und seine Männer warteten. Im Abendwind wogte das Gras, und hinter den Kämmen versank, umströmt von Licht, der Rand des Sonnenballs. Rob wandte den Kopf und blickte übers Moor zurück. Der Himmel war grau, aber noch nicht dunkel, und über der Felsenkante, die ihm die Sicht nach Glenlyon abschnitt, tauchte ein silberweißer Streifen auf. Im Nu verbreiterte er sich, wurde zur schillernden Scheibe, ließ den Felsen zurück und eroberte den Horizont. Der Tag war zur Nacht geworden, der Mond aufgegangen, ein allmächtiger Wächter über ein Tal, aus dem die Sonne floh.
    Als er sich wieder umwandte, sah er sie kommen: Ein Hochländer Chief im Gepränge seines Standes – bunter Tartan, Waffen über beiden Schenkeln, blaues Bonnet –, an den Flanken ritten seine Söhne, dahinter ihr Gefolge. Der MacIain ritt den Grauschimmel und trug den gelben Mantel, als sei er so weißmähnig und kraftstrotzend geboren worden.
    In John, dem Erben, schien die Jugend des Vaters neu erstanden zu sein. Er war in jedem Zoll Muskelfleisch, jeder Strähne roten Haars der Spross des MacIain, wie ein Mann es sich von seinem Sohn wünschte. Aber die Ähnlichkeit war zu stark, an dem Jungen war nichts Eigenes. Hatte der Anblick des Alten Furcht eingeflößt, so wirkte der Sohn, als hätte man diesen Mordskerl als Strohpuppe nachgebaut – gleich bis ins Letzte, aber ohne eigenen Saft.
    Den Jüngeren, Sandy Og, wollte Rob nicht ansehen, und als er es doch tat, traf dessen Blick sofort den seinen. Das war der Hundsfott, der sich erdreistet hatte, einen Mann auf dem Begräbnis seiner Mutter zu kränken, der ein Mädchen als Spielgewinn eingefordert und ihrer Familie geraubt hatte, der in Glenlyon eingefallen war, verheerender als ein Tier. Bei Robs Anblick brach der MacIain in Gelächter aus. »Sehe ich richtig: Ist das Jean Campbells Ältester im roten Kleidchen des Sassenach?«
    Rob aber starrte weiter unverwandt in Sandy Ogs Gesicht.
    Die Pfeifer des MacIain begannen zu blasen und Robs Trommler zu trommeln, und in den Lärm hinein schlug Robs Herz. Er hatte den MacIain zeitlebens gehasst, es war ein Teil seiner Wurzeln, denn der Herr des lichten Glenlyon hasste den Herrn des düsteren Glencoe, aber der Hass, der ihn jetzt, vor diesem Burschen, überfiel, war von anderer Art. Mit dir hat das Elend angefangen. Hättest du mich nicht um das Erbe meiner Mutter gebracht, hätte ich Meggernie nicht verloren,

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