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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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schuld? Daran, dass die Sarah weg ist?«
    Ceana wollte nicht noch einmal mit ansehen, wie John Eiblin schlug, wie irgendein Mensch einen anderen schlug. »Nicht, John.« Sie nahm seinen Arm und schob sich zwischen ihn und seine Frau. »Ist es für Sandy Og nicht besser so?«
    »Nur weil die Sarah keine Söhne bekommt?« John schüttelte den Kopf. »Ich hab mit Sandy Og meinen Spott getrieben, und als der Krüppel zur Welt kam, hätten ihm viele gegönnt, dass seine Bohnenstange es nicht schafft und er für eine andere frei wird. Aber die kennen meinen Bruder Sandy Og nicht. Der ist verrückt, meinst du nicht, er war schon immer verrückt? Damals hat er Tag und Nacht bei ihr gesessen, und als die Frauen zu ihm gesagt haben: ›He, Sandy Og, geh und leg dich schlafen‹, hat er’s nicht gemacht. ›Ich bin schuld, dass der Tod bei ihr anklopft‹, hat er gesagt. ›Ich muss hier wachen, ich hab’s ihr versprochen, damit der Tod sie nicht holen kann.‹«
    Hör auf, wollte Ceana betteln. Sie wagte kaum noch zu atmen, so tief schnitt ihr der Schmerz durch den Leib.
    John wandte sich wieder Eiblin zu. »Was hast du getan? Warum konntest du Sarah keinen Frieden lassen? Ich mag meinem Bruder nicht sagen, dass seine Frau nicht mehr da ist, wenn er wiederkommt. Ich seh ihn noch, wie er sie aus Glenlyon geholt hat, der Verrückte. Wie soll ich meinem kleinen Bruder sagen, dass seine Sarah auf und davon ist und dass meine Frau schuld daran ist?«
    Er hob wieder die Hand, aber ob er ausholen wollte oder nur sinnlos in der Luft fuchtelte, blieb offen. Eiblin jedoch schrie und sprang beiseite. »Ich wollte doch nur, dass wieder Ordnung ist!«, rief sie, das Gesicht von Tränen überschwemmt. »Alles bricht zusammen – unser Leben, unser bisschen Glück –, und ich kenn mich nicht mehr aus. Ich hab doch nur Ordnung schaffen wollen, sonst nichts, ich hab doch niemandem Übles gewünscht!«
    Er hätte sie in die Arme nehmen sollen. Selbst wenn er sie ausgeschimpft hätte, wie Lady Morag es mit Weinenden tat, hätte es ihnen allen ein wenig Wärme geschenkt. Aber John sagte nur: »Mach, dass du weiterkommst«, nickte Ceana zu und ging seiner Frau voraus zu seiner Hütte.
    In der Nacht, im Verschlag des Uralten, hörte Ceana, wie Ben und Gormal aus Glencoe fortgingen und Gormal dabei sang.
    Colins Rinder,
    Meinem Herzen so lieb.
    Colins Rinder,
    Die geben Milch in der Heide.
    Sie hatte nicht gewusst, was für eine herrliche Stimme Gormal besaß, dass sie mit solcher Innbrunst singen konnte und mit solcher Trauer.
    Anderntags betrugen sich die Leute von Glencoe, wie sie sich immer betrugen. Sie kochten Wurst, rauchten Pfeifen,schwatzten vielleicht weniger und lachten seltener, aber aßen und tranken und versorgten ihre Kinder. Dann kam Ewen Cameron von Lochiel. Er nahm den gleichen Weg wie schon einmal, mit nur zwei Begleitern bis aufs Joch und das letzte felsige Stück allein. Damals war James, Gormals Mann, gestorben. Als Ceana das Gesicht des alten Clanchiefs sah, wurde ihr eiskalt. Herr, mein Gott! Mein Gott, lass es nicht das sein! Lass alles zu, nur nicht das.
    Lochiel, hieß es, hatte überall Spitzel und erfuhr, was in Stirling, Edinburgh und auf der Garnison geschah, noch ehe es nach London gelangte. Der Chief der Camerons, der sonst eher leutselig war, wischte heute jeden beiseite, der ihm den Weg vertrat, speiste ihn mit drei Worten ab und strebte geradewegs auf den MacIain zu, der mit Ranald vor seiner Hütte saß. Er zauste Ranald seine Strähne weißen Haars, legte dem MacIain, der aufstand, den Arm um die Schultern und ging mit ihm ins Haus.
    In der Stille glaubte Ceana, ihr Herz den Hang hinaufhallen zu hören wie die Schläge einer Pendeluhr. Der MacIain heulte auf. Wie ein Tier, mochte man denken, weil so kein Mensch heulte, doch in Wahrheit hatte Ceana weder Mensch noch Tier je so heulen hören. Dennoch wusste sie, was es bedeutete, und rannte los. Ranald hockte noch immer vor der Hütte und zog an der erloschenen Pfeife, Ceana wollte die Tür aufstoßen, als der MacIain herausstürmte. Lochiel folgte, packte von hinten die Arme seines Freundes und hielt ihn, obgleich er kleiner und schmaler war, zurück, indem er sein gesamtes Gewicht in seinen Griff legte. »Du kannst dort nichts ausrichten, Alasdair! Ich habe dasselbe schon dem rasenden Ardshiel gesagt, der seinen Robert heraushauen wollte.«
    »Ich will meinen Sohn! Dem, der ein Haar auf dem Kopf meines Sohnes krümmt, schneide ich die Kehle durch!«
    Er ist

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