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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Vergehen aus dem Tal geführt, mit Peitschen in den Wald getrieben und deinem Schicksal überlassen werden. Da ich dir aber das Leben meines Kindes schulde, ist mir ein Akt der Milde erlaubt.«
    Was redete der MacIain da vom Leben seines Kindes? Hatte Ben denn Gormal aus einer Gefahr gerettet? Leitete der Knecht daraus das Recht ab, sie zu schänden? Ceana wünschte, sie hätte dem Stummen auch nur eine Frage gestellt, hätte nur das Geringste von ihm erfahren.
    Der MacIain trat zurück, um Abstand zwischen Ben und sich zu bringen. »Du kannst gehen, wohin du willst, und mitnehmen, was dir gehört. Auch Brot für zwei Tage. Und sie.« Er wies auf Gormal. »Aber ihre Kinder bleiben hier. Vorm Morgengrauen seid ihr auf dem Weg.«
    Er meinte, was er sagte. Nach dem letzten Wort drehte er sich um und ging davon. Seine Leute scheuchte er mit schroffen Gesten zur Seite. Er sah nicht nur Ben und Gormal nicht mehr an, sondern niemanden mehr.
    Die Frauen kehrten in Trauben an ihre Arbeit zurück und zerrten die Kinder mit sich; die Männer schwiegen betreten und trollten sich. Gormal bewegte sich lange Zeit nicht, bis Ben sie am Ärmel zupfte und schließlich in die Hütte führte. Nur Ceana, Eiblin und John blieben stehen. Ein paar Herzschläge lang schien alles still, als wäre ein Schreck in die Welt gefahren. Allein Ceana hatte Musik im Kopf. Ich möchte tanzen. Ganz allein, über Hänge ohne Ende, bis Schwindel mir die Gedanken nimmt.
    Dann schrie John. »Ist das dein Werk?« Seine Stimme drohte zu kippen. »Dass meine Schwester aus dem Tal gejagt wird, ist das dein Werk?«
    Schläge klatschten. John, der so verliebte, zärtliche Ehemann, schlug seiner Frau ins Gesicht. Zweimal, dreimal. Als er zum vierten Mal ausholte, fiel ihm Ceana in den Arm. »Mischdu dich nicht ein, Kleine. Das hier ist eine Sache zwischen Erwachsenen und kein Anblick für dich.«
    Mein großer Bruder John. Sieht er in mir noch das Püppchen, das er auf seinen Knien reiten ließ und hinterher beiseiteschob? Hat er in mir nie mehr gesehen, keinen Menschen, der zum Messer werden kann, wie wir in Ben nie mehr gesehen haben als den Stummen?
    Eiblin heulte und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Hör doch auf, Johnnie! Hör doch auf. Ich musste es ihm ja sagen, er wollte Ceana verprügeln, und am Ende hätte er Ceana fortgejagt. Deswegen hab ich ihm von Gormal erzählt, weißt du, damit er Ceana vergisst.«
    Ceana spürte, wie sich Johns Arm schützend um ihren Rücken schlang. »Was hast du mit Ceana zu schaffen? Weshalb sollte sie fortgejagt werden? Hör zu, du Giftzunge, Ceana ist meine kleine Schwester, sie war nie etwas anderes und wird nie was anderes sein, und wenn du sie in deinen Schmutz ziehst, werf ich dich aus meinem Haus!« Er ließ die Arme hängen.
    John hatte seinem Vater immer ähnlich gesehen, und auch jetzt war er Zoll um Zoll ein kleiner MacIain. Wie dem Vater wich ihm mit einem Schlag die Kraft aus der Stimme, und er sackte von den Schultern zu den Füßen zusammen. »Das hier war meine Familie: Gormal und ich, Sandy Og und Ceana. Und die Eltern. Das stand zusammen, warum hast du das zerschlagen? Das mit Gormal hätte doch niemand wissen müssen, ich wär froh, wenn ich’s nicht wüsste! Jetzt muss ich meine große Schwester eine Hure nennen und darf nie mehr ein Wort mit ihr sprechen.«
    Ceana hätte gern seine Hand genommen und ihm etwas Tröstendes gesagt, aber die Traurigkeit war zu groß für Trost, und am traurigsten war die vergeudete Zeit: Warum haben wir uns nicht sagen können, wie viel wir uns wert sind? Von John glaubte ich, er würde Gormal und mich zur Hölle wünschen, doch er wünscht sich nichts dergleichen. Er wünscht sich nur seine Schwestern zurück.
    »Johnnie, ach Johnnie«, schluchzte Eiblin und versuchte sich an seinen Arm zu hängen.
    Er aber schüttelte sie ab. »Sag mir, was das für ein Gerede von Ceana war.«
    »Nichts, Johnnie, gar nichts. Du willst es doch nicht wissen.«
    »Sag’s mir.« Als sie wieder nach ihm griff, wich er zurück. »Was hast du dem Vater über Ceana erzählt, dass er sie schlagen wollte? Er hat sie nie geprügelt, sie war seine süße Tänzerin, und wer behauptet, er habe ihr je Böses getan, ist ein Lügenmaul.«
    »Um Ceana ging’s ja nicht.« Eiblins Stimme war klein vom Weinen. »Nur um die Sarah, und die braucht dich ja nicht zu scheren.«
    John aber scherte sie. Jäh straffte er die Schultern und baute sich vor Eiblin auf, dass die sich duckte. »Bist daran auch du

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