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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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vorbeidrängte, um als Erste aus der Tür zu stürzen. Gormal und die Lady gingen gemessenen Schrittes mit Una; Ceana und Sarah aber hatten Mühe, nicht auch zu rennen. Am Abhang, wo man hinunter auf das Joch sehen konnte, hatte sich bereits die ganze Siedlung eingefunden. Eiblin preschte ohne Rücksicht durch die Reihen. Hätte sie eine Frau oder ein Kind in die Tiefe gestoßen, hätte sie es vermutlich nicht bemerkt.
    Als die Lady kam, bildete die Schar eine Schneise.
    Der Reiter auf dem Joch saß so verloren auf seinem Pferd, dass Sarah einen Augenblick lang annahm, es sei Sandy Og. Sein Haar stand wild nach allen Seiten ab, Kopf und Arme ließ er traurig hängen. In diesem kurzen Augenblick dachte sie nicht daran, was sein Kommen bedeuten mochte, dass nämlich John und der MacIain nicht mehr lebten, sondern nur an das, was sie ihm sagen wollte. Sie würde den steinigen Pfad hinunterlaufen und ihn an sich reißen. Mach mir ein Kind, Sandy Og, wollte sie sagen. Frank und dreist.
    »Was hockst du denn da wie ein trüber Schluck Wasser?«,grölte die freche Mairi in die Tiefe. »Sag uns nicht, dass ihr verloren habt!«
    Sie hatten ja früher schon verloren, und dann hatten die Frauen ihre Männer, die sie als Helden hätten empfangen wollen, als Gescheiterte aufnehmen müssen, sie verzärteln und verarzten, Lob spenden, das sie nicht verdienten, und ertragen, dass sie ein wenig mehr soffen, ein wenig mehr protzten und Püffe austeilten, bis sie sich wieder erholt hatten und von neuen Schlachten schwatzten. Sarah bemerkte, wie stolz sie auf Sandy Og war, der all dies mit sich allein ausmachte. Mach mir ein Kind, Sandy Og. Du liegst nicht mehr bei mir, weil du glaubst, ich könne nur Tote und Krüppel gebären, aber ich weiß, ich kann dir einen heilen Sohn schenken. Gib mir noch einen Versuch.
    Etwas blieb ungesagt, aber es fiel ihr nicht ein, und auf einmal stand Sandy Og nicht neben dem Schecken, sondern saß noch im Sattel, und das Pferd war kein Schecke, der Mann nicht Sandy Og.
    »Weshalb steigst du nicht ab und kommst zu uns?«, brüllte Mairi.
    Dann schrie Eiblin auf und rannte.
    Der Mann war John, und so wie er vom Pferd sackte, musste er schwer verletzt sein. Im Nu war Eiblin bei ihm und stand mit ihm im Regen, er mit hängenden Armen, sie an ihn geklammert. Dass John allein gekommen war, schnürte Sarah die Kehle zu. Sie sah von den beiden weg, und ihr Blick traf den von Ceana, deren Gesicht wachsbleich war und deren Mund sich ohne ihr Zutun bewegte. Sarah konnte, was Ceana sagte, von ihren Lippen lesen. »Nein«, sagte Ceana. »Nein.«
    Nein, schrie es auch in Sarah.
    Endlich bestiegen John und Eiblin den Pfad. Sie hatte den Arm um seine Mitte gelegt, er jedoch fasste sie nicht an. Sein Gesicht war grau. Der fesche Kerl, der so viel auf sich hielt, hatte sich keine Heide ans Bonnet gesteckt und trug kein reines Hemd.
    Seine Mutter schnaufte. »Wollt ihr bis Samhuinn dieses lachhafte Stück Berg hochkraxeln?«
    Ihr Sohn hob den Kopf und sah ihr entgegen, ohne etwas zu erwidern.
    »Was treibst du hier, John?«, fragte die Lady. »Wo ist dein Vater?«
    Und wo ist dein Bruder Sandy Og?
    »Ich jedenfalls bin froh«, rief Eiblin, »ich hab meinen Johnnie wieder!«
    John stieß sie von sich weg, dass sie gegen einen Vorsprung taumelte. »Mein Vater ist auf dem Weg nach Blair!«, rief er, jedes Wort eine Salve Hass. Sein Blick traf Sarah. »Vielleicht sind sie schon dort«, warf er ihr hin. »Kämpfen für Jamie, wie es das Recht jedes Hochländers ist. Die Memme, die ich Bruder nennen muss, ist auch dabei, und das verdankt er der da.« Er wies auf Sarah. »Wer bei seinem Weib versagt, darf kämpfen. Wer aber ein Mann ist und dem Clan Söhne zeugt, wird wie ein Milchbub heimgeschickt.«

    »Alasdair Og?«
    Sandy Og hatte nicht bemerkt, dass jemand ihm gefolgt war. Sie waren über den Drumochter Pass gezogen. Es war der dritte Tag des Marsches, dessen Route sie bei jeder Nachricht änderten, die ein Späher brachte. Ihnen schmerzten die Knochen, und die Vorräte wurden knapp, aber ehe sie sie auffüllen konnten, musste die Schlacht bestanden sein. Man wies sie an, am Hafer der Pferde zu sparen, aber Sandy Og widersetzte sich und verlangte, dass der Futtersack seines Schecken wie sonst befüllt wurde, was man ihm zu seiner Verblüffung gewährte. Es war längst dunkel, als er das Tier gegen den Wald hin führte, um ihm den Futtersack umzuhängen und ihm, während es fraß, die Hufe zu säubern und die Fesseln mit

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