Glencoe - Historischer Roman
Lochiel hatte recht. Er war den Männern Leitbild und Stütze, sie würden ihn brauchen, wenn die Welt aus den Fugen sprang. » Ihr müsst«, sagte Sandy Og heiser. »Aber ich nicht. Ich gehe und halte sie auf.«
»Wozu denn, Freundchen?« Lochiel klopfte Sandy Og auf die gesunde Schulter. »Damit sie dir ordentlich Prügel verpassen, dich bespucken und einen Verräter schimpfen? Wärst du ein Geringerer, ließe ich dich deine Dummheiten tun, aber wir brauchen dich noch. Nicht wenn wir den Eid verhindern, denn den verhindern wir nicht. Aber wenn wir ihn eines Tages brechen.«
»Das können wir nicht, und Ihr wisst es.«
Lochiel verzog den Mund. »Mir bleibt es mit ein wenig Glück erspart, weil ich bis dahin meinen Wein in der Ewigkeit saufe. Du dagegen wirst’s müssen. Es kostet eine Menge, tapfer zu sein, wenn man nicht dumm ist, aber du bist Manns genug dazu und wirst deinem Vater und Bruder dabei helfen.«
Die Männer im Kreis beugten sich so weit vornüber, dass Sandy Og Angst bekam, sie könnten fallen. »Wir Männer von Killiecrankie«, sprach der MacIain vor, »beeiden, dass wir den Thronräuber William und die Verräterin Mary verachten.«
»Wir Männer von Killiecrankie beeiden, dass wir den Thronräuber William und die Verräterin Mary verachten«, brüllten die Männer.
»Über dem Schwert unseres Feldherrn schwören wir unserem König James Stuart Gefolgschaft bis in den Tod.«
»Über dem Schwert unseres Feldherrn schwören wir unserem König James Stuart Gefolgschaft bis in den Tod.«
Nottingham House, August 1689
Sie würde dem Haus einen neuen Namen geben. Wer einen Namen gab, der nahm in Besitz. Das Haus war so klein, dass Mary es schon hatte aufgeben wollen, obgleich in der stinkenden, zum Platzen engen Stadt kein anderes zu finden war. Sir Christopher, ihr Architekt, hatte sie jedoch beruhigt. Er werde an jeder der Ecken einen Pavillon errichten und so für Geräumigkeit sorgen, hatte er versprochen. Mehr als einmal hatte Mary ihm in den Ohren gelegen, sie könne das gemietete Holland House kaum mehr ertragen und wolle endlich ihr eigenes Reich beziehen. »Wir werden die Erfüllung Eurer Wünsche aus dem Boden stampfen«, versicherte er ihr.
Je mehr Wochen verstrichen, desto klarer wurde jedoch, dass er sein Versprechen nicht würde halten können. Noch immer zwängte Mary ihr Leben in geliehene Räume, wo sie sich fühlte, als werde sie bei jedem zum Mund geführten Bissen begafft. William war ihr keine Hilfe, denn das Haus scherte ihn nicht, und seine Übellaunigkeit war ärger denn je. Er hatte das Geld, das für den Krieg der Niederlande gegen Frankreich bestimmt war, in sinnloses Gerangel in Schottland stecken müssen – sein General hatte auf einem Pass mit unaussprechlichem Namen eine Schlacht verloren, und die Truppen, die er aus Chester in den Norden entsandte, fehlten ihm gegen Marys Vater in Irland. »Ich habe die Last dieser Krone auf mich genommen, um Hollands Kraft zu stärken, nicht um ihm Kraft abzuziehen«, erregte er sich jetzt lautstark, so beharrlich er für gewöhnlich schwieg.
Also fuhr Mary allein nach Nottingham House, um die Arbeit voranzutreiben. Das Wetter war trüb und nass, es schlug Mary ebenso aufs Gemüt wie William auf die Lungen, und als sie auf demBauplatz ankam, überfiel sie einmal mehr die Gewissheit, dass sie ihr hübsches Heim in Den Haag nie wiedersehen würde, und sie brach in Tränen aus. Sir Christophers Bursche sah geflissentlich darüber hinweg und führte sie zu seinem Herrn. Der beaufsichtigte einen Trupp Arbeiter bei der Verbleiung eines Dachstuhls.
Mary seufzte. Die Arbeit ging wie üblich in unsäglicher Langsamkeit voran.
»Seid gegrüßt, Hoheit.« Auf Sir Christophers Gesicht sprang ein Lächeln. Anfangs hatte Mary ihm geglaubt, dass ihr Besuch ihn freute, inzwischen aber las sie ihm die Heuchelei vom Mund. Jeder hier spielte falsch; dem Inselvolk mit seinem gefrorenen Lächeln lag die Heuchelei offenbar im Blut. Sie vollführten Knickse und Kratzfüße vor ihr, doch in Wahrheit waren sie alle verkappte Jakobiten. Mary war sich nicht völlig sicher, was Jakobiten umtrieb, doch das Wort allein verfolgte sie bis in den Schlaf.
»Eure Leute lassen sich sehr viel Zeit«, warf sie Sir Christopher hin.
»Sie tun, was sie können. Das Wetter war zwei Tage lang zu schlecht, und zuvor gab es Verzug bei einer Lieferung.«
»Und davon lasst Ihr Euch aufhalten? Vom Wetter?« Ihre Stimme wurde schrill. »Bezahle ich Euch dafür, dass Ihr
Weitere Kostenlose Bücher