Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
wenn er sie schlug. Ein Mann von Ehre lehrte seine Frau mit der Rute Gehorsam, aber nur ein verkommenes Tier schlug sie mit Fäusten. »Helen …«, begann er.
    Sie aber schüttelte den Kopf. »Spar dir die Mühe. Wir haben nichts mehr, das Einkommen bringt, und nichts, das sich verpfänden ließe. Kein Mensch leiht uns auch nur einen Westenknopf, und auf Chesthill liegen Pfänder. Wenn du nicht zu Argyll gehst, nimmt man uns das Haus meines Vaters noch vor Wintereinbruch.«
    Das Haus ihres Vaters. Wie sollte er sie nicht schlagen, wenn sie immer wieder auf sein Inneres schlug, immer dorthin, wo es am höllischsten schmerzte? Er ohrfeigte sie. Zweimal, nicht öfter, nur damit sie ihn nicht länger quälte. So geisterblass, wie sie war, liefen ihre Wangen gleich rot an wie eine blutunterlaufene Anklage, und das Schlimmste war, dass gerade jetzt Hunger und Durst ihn überfielen. Ohne zu überlegen, stürzte er zum Korb und riss ein Stück gelben Käses heraus, ehe er sich besann. Er hatte den Mund schon aufgesperrt, die Zähne gebleckt, da ließ er entsetzt von sich selbst die Beute sinken.
    »Iss doch, Rob. Iss dich satt, und lass die Kinder leer ausgehen, dann haben die armen Würmer es bald hinter sich. Was sollen sie auch in diesem Jammertal? Das Erbe des Jungen ist versoffen und die Mitgift für die Mädchen nicht minder. Nein, erzähl mir nichts mehr von dem MacIain aus Glencoe. Schlag lieber noch einmal zu, das geht schneller, und erbärmlich ist eines wie das andere.«
    »Schweig!« Er sprang auf und packte sie, schlug ihr den Kopf an die Wand. »Du sollst schweigen!« Hieb ihr die Fäuste ins Gesicht, hörte das Krachen von Knochen auf Knochen. Vor seinen Augen zog Schwärze auf. Er drosch zu, bis sie unter seinenSchlägen zu Boden sank, dann holte er Atem, fühlte sich kraftlos und ließ sich auf den Boden fallen.
    Langsam kam er zur Besinnung. Die Schwärze lichtete sich, wenn auch nur wenig, denn vor dem Fenster zog die Nacht auf. Helen lag nicht wie so oft zum wimmernden Knäuel zusammengerollt, sondern saß mit dem Rücken an der Wand. Aus ihrer Nase rann Blut, eines ihrer Augen öffnete sich nicht. »Hast du mich jetzt da, wo du mich wolltest?«, herrschte er sie an. »Hast du mich?«
    »Ja, Rob«, erwiderte sie, wobei das Blut in ihrer Nase gurgelte. »Ich hab dich. Das ist mein Lebensglück: ein verpfändetes Heim und die Macht über einen Versager, der uns nichts erspart.«
    Er jaulte auf wie ein Hund, den man zwischen die Hinterläufe tritt – wie Helen es schon so oft getan hatte. Sie hasste Hunde, trat seine schönen Terrier ins Gemächt, dass sie die Schwänze einkniffen und heulend die Flucht ergriffen. Aber er hatte ja keinen Terrier mehr, keinen Greyhound, keinen Bullenbeißer. Das Blut aus Helens Nase tropfte auf ihre Bluse. Rob wünschte, sie hätte es weggewischt oder er hätte sich abwenden können.
    »Weißt du, wie oft ich mich gefragt habe, warum du mich genommen hast?«, redete Helen weiter, ohne sich um das Blut zu scheren. Ihre Stimme klang näselnd, doch jedes Wort war klar. »Eine unschöne Krähe mit wenig Vermögen. Dabei magst du deine Weiber wie Schinkenspeck – glaubst du etwa, dafür war ich blind? Aber dann hab ich dich mit Sarah gesehen, habe gesehen, wie du Sarah bestraft und ihr hernach den Zopf gestreichelt hast und wie du überhaupt von diesem dürren Mädchen nicht zu trennen warst. Da hab ich’s begriffen, Rob: Du brauchst solche wie mich und Sarah, weil du auf uns herabschauen kannst, weil wir noch mickriger sind als du selbst. Weil du einmal eine Frau haben wolltest, die dich bewundert, deshalb hast du mich gewählt.«
    Nein , hätte er am liebsten erwidert. Ich habe dich gewählt,weil ich einmal eine wollte, der ich genüge. Weißt du, wie schwer es ist, ein Mann zu sein, wenn man schon als Knabe ein Held sein muss?
    »Bei Gott, ich habe dich bewundert«, murmelte Helen. »Und solange ich das noch tat, verblendet wie ich war – vielleicht hätte zwischen uns noch einmal etwas in Ordnung sein können. Solange du für mich der Lohn warst, den ich wollte. Aber das ist vorbei. Jetzt habe ich dich und will dich nicht mehr – nur noch das, was du mir schuldest: ein bisschen Fleisch für die Bälger, die du mir gemacht hast, ein Haus, aus dessen Tür ich treten kann, ohne mich in Grund und Boden zu schämen.«
    Es schien Rob, als sei seine Würde etwas gewesen, das er an der Brust geborgen und geherzt hatte, etwas, für das er Helens Grausamkeiten aushielt, und

Weitere Kostenlose Bücher