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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Kastanien perfekt in ihre Schale passen. Miss Maple war wirklich das klügste Schaf von Glennkill.
    »Aber …«, blökte es da schüchtern aus der letzten Reihe. Die Schafe drehten die Köpfe. Maisie! Ausgerechnet Maisie! Neugierig und ein wenig schadenfroh stellten die Schafe die Ohren auf, um zu hören, was Maisie wusste.
    »Er kann es nicht gewesen sein«, blökte Maisie aufgeregt. »Er hat gesagt, dass George eine verlorene Seele ist. Wenn er dachte, dass George seine Seele sowieso schon verloren hatte, hat es doch keinen Sinn, sie ihm wegzunehmen.«
    Maisie zuckte verlegen mit den Ohren.
    Die anderen Schafe sahen sie böse an.
    Aber Miss Maple war nicht beleidigt. Schließlich ging es um die Wahrheit und nicht darum, ihre Klugheit zu beweisen. Dass sie klug war, wusste sie längst. Die Wahrheit wusste sie anscheinend noch immer nicht.
    »Ich bin mir sicher, dass es um die Seele geht«, sagte sie. »Es muss irgendwie anders zusammenpassen.«
    »Beth hat keine Seele«, blökte auf einmal Maude, der beim Denken an Mauskraut schnell langweilig geworden war.
    Obwohl die Schafe noch nie darüber nachgedacht hatten, leuchtete es ihnen sofort ein. Niemand, der so tot roch wie Beth, konnte einen Geruchssinn haben. Mit Geruchssinn war das nicht zu ertragen.
    Miss Maple stand eine Weile lang ganz still. Nicht einmal die Spitzen ihrer Ohren zuckten. Sie stand, wie die sehr alten Widder stehen, in Gedanken versunken und vollkommen regungslos.
    »Aber Beth wollte eine Seele«, sagte sie endlich. »Unbedingt. Weil man ohne Seele nicht wirklich leben kann. Es steht in dem Buch.«
    Othello hob den Kopf. An seinen Augen konnten die Schafe sehen, dass er etwas verstanden hatte.
    »Jahr für Jahr kam sie zu Georges Schäferwagen«, fuhr Miss Maple fort. »Sie hat ihm Bücher gebracht, weil sie wusste, dass George gerne Bücher mochte. Sie hat gehofft, dass George anfangen würde, sie zu mögen, so sehr, dass er ihr am Ende sogar seine Seele geben würde.«
    »Aber George hat das nicht getan«, sagte Ramses. »George hat die Hefte verbrannt.«
    »Genau«, sagte Maple. »Das war klug von ihm. Dann hat Beth angefangen, etwas von guten Werken zu erzählen und davon, dass Georges Seele in Gefahr sei. Sie wollte sie mitnehmen, an einen sicheren Ort, wo die Seele gute Werke tun konnte.«
    »Zu Gott?«, fragte Heide neugierig.
    »Es war natürlich nur ein Vorwand«, erklärte Miss Maple. »In Wirklichkeit hätte Beth die Seele behalten, und George hätte sie nie wiedergesehen.«
    »Aber George hat es nicht getan«, sagte Lane erleichtert.
    »George hat angefangen, im Gemüsegarten zu arbeiten. Mit dem Spaten.«
    »Auch das war klug«, sagte Miss Maple. »Denn so konnte er seine eigenen guten Werke tun. Beth hatte keinen Vorwand mehr, seine Seele so einfach mitzunehmen.«
    Die Schafe erinnerten sich. So viele Male war Beth vor den Stufen des Schäferwagens aufgetaucht und hatte sich um Georges Seele gesorgt. Sie waren immer arglos darauf hereingefallen. Erst jetzt konnten sie verstehen, was sie in Wirklichkeit im Schilde geführt hatte.
    »Wie ein Fuchs«, sagte Cordelia. »Ein Fuchs, der ein verwundetes Lamm findet. Und es umschleicht, in immer kleineren Kreisen, bis es so schwach ist, dass es sich nicht mehr wehrt.«
    »Aber George war nicht schwach«, sagte Othello stolz. »Er hat sich immer gewehrt.«
    Miss Maple nickte. »Und Beth hat immer gewartet. Irgendwann, dachte sie, irgendwann … Und dann – erinnert ihr euch daran, was ich euch gesagt habe: Es hängt alles am Spaten? Es stimmt noch immer. Ich habe nur zuerst falsch verstanden, wie es zusammenhängt. Der Spaten bedeutet Gemüsegarten. Er bedeutet, dass George sich gewehrt hat. Er bedeutet, dass Beth nicht an seine Seele konnte.«
    Miss Maple machte eine kleine Pause.
    »Doch dann hat sie erfahren, dass George wegwollte. Nach Europa. Mit seiner Seele. All die Jahre hatte sie gewartet, wie eine Spinne in ihrem Netz. Sie musste irgendwas unternehmen, wenn ihr Warten nicht umsonst gewesen sein sollte. Und wir alle wissen, was sie unternommen hat.«
    Die Schafe schwiegen beeindruckt. Alle bis auf Zora.
    »Aber was ist mit den Ermordeten, die ihre Mörder verfolgen?«, fragte Zora. »Beth wurde nicht von einem Schaf verfolgt.«
    Maple überlegte.
    »So sieht es aus«, sagte sie nach einer Weile. »Aber so war es nicht. Wir haben sogar zweimal mit eigenen Augen gesehen, wie Beth verfolgt wurde.«
    Die Schafe überlegten, aber sie konnten sich beim besten Willen an nichts erinnern.

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