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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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deswegen gleich seine seltsamen Geschichten glauben?
    Zora sah ihren Gesichtern an, dass sie nicht überzeugt waren.
    »Bitte«, sagte sie, »ich weiß einfach, dass es stimmt!«
    »Hmmm«, sagte Miss Maple. »Das würde erklären, warum sie nicht wollig sind. Wisst ihr noch, wie wir uns darüber gewundert haben, warum sich Gabriel mit so unwolligen Schafen abgibt? Wenn es Gabriel nun gar nicht um ihre Wolle ginge … das wäre eine Erklärung.«
    Zora sah dankbar zu Miss Maple hinüber. Die anderen dachten erneut über Zoras Theorie nach. Wenn sogar Maple, das klügste Schaf von ganz Glennkill und vielleicht der Welt, sich dafür interessierte, konnte an der Sache – so unglaublich sie klang – doch etwas dran sein.
    Ausgerechnet Mopple fiel Zora in den Rücken.
    »Ich glaube kein Wort davon«, blökte er. »Dieser Widder ist einfach nicht bei Trost. Gestern wollten sie George’s Place fressen, und heute versuchen sie, uns auf andere Art Angst zu machen. Ich muss es doch wissen. Ich bin eine Fleischrasse. Hat George vielleicht versucht, mich unter das Messer zu bringen?«
    »George war anders«, warf Zora ein. »Er wollte wollige Schafe, so wollige wie die norwegischen Schafe.«
    Aber Mopple ließ sich nicht bremsen. »Fleischrasse bedeutet etwas ganz anderes«, blökte er. »Fleischrasse bedeutet …« – Mopple durchforstete mit schief gelegtem Kopf seine Erinnerungen. Aber ihm fiel nichts ein. »Etwas ganz anderes«, wiederholte er stur.
    Damit hatte er die anderen überzeugt – von Zoras Theorie. Wenn sogar Mopple the Whale mit seinem grandiosen Gedächtnis keine andere Erklärung einfiel, musste Zoras Geschichte wohl stimmen.
    Panik brach aus.
    Maude blökte »Wolf! Wolf!« und floh im Zickzack über die Weide. Lane und Cordelia steckten sich wechselseitig den Kopf in die Wolle. Die Mutterschafe blökten aufgeregt ihre Lämmer zu sich.
    »Wir sind jetzt seine Herde«, jammerte Ramses. »Es ist aus!«
    »Er bringt uns um«, flüsterte Cloud. »Er ist wie der Metzger. Wir müssen hier weg!«
    »Wir können nicht weg«, sagte Sara. »Das ist unsere Weide. Wo sollen wir denn hin?«
    Mopple sah aufgebracht von einem zum anderen. »Glaubt ihr wirklich?«, blökte er. »Glaubt ihr wirklich? Ich auch?«
    »Du zuerst!«, schnaubte Zora, die noch immer wütend war, weil Mopple ihr nicht geglaubt hatte.
    Sogar Miss Maple wusste keinen Ausweg. Ängstlich spähte sie zum Schäferwagen hinüber, um zu sehen, ob Gabriel schon die Messer wetzte.
    »Die Widder müssen es wissen«, flüsterte sie.
    Die Schafe sahen sich nach ihren erfahrensten Widdern um. Ritchfield und Melmoth spielten gerade ein Fang-das-Schaf-Spiel wie zwei Milchlämmer, und Othello hielt sich noch immer sorgsam vor Melmoth verborgen. Doch als er ihre Unruhe bemerkte, trabte er zu ihnen herüber.
    »Wolf!«, blökte Maude.
    »Der fremde Widder«, hauchte Cordelia.
    »Er bringt uns alle um«, blökte Mopple. »Mich zuerst.«
    Es dauerte eine Weile, bis Othello alles verstanden hatte. Auch er erschrak. Othello kannte die Welt und den Zoo, aber Fleischschafe kannte er nicht.
    »Wir müssen es Melmoth sagen«, sagte er. »Melmoth kennt sich aus.«
    Sie sahen zu Melmoth hinüber. Er und Ritchfield waren zu einem Duell-Spiel übergegangen. Melmoth hatte sich zum Spaß von Ritchfield besiegen lassen und kugelte wie ein junger Hund durch das Gras.
    »Bist du sicher?«, fragte Cloud.
     
    *
    Othello trabte mit klopfendem Herzen und einem flauen Gefühl im Magen zum Hügel. Der Augenblick der Wahrheit. Einerseits war er erleichtert. Schon seit Tagen suchte er nach einem Grund, Melmoth endlich wieder gegenüberzutreten.
    Andererseits erfüllte ihn die Vorstellung, dem großen Grauen nach so langer Zeit wieder in die Augen zu sehen, mit Verlegenheit. Melmoth kannte ihn besser als sein eigener Schatten. Er hatte all die Fehler und Dummheiten seiner Jugend gesehen – und gnadenlos kritisiert. Die Verlegenheit ärgerte Othello. Schließlich hatte nicht er sich in aller Heimlichkeit nachts aus dem Stallwagen des grausamen Clowns davongestohlen, mit nur einem einzigen, blödsinnigen Spruch als Abschied.
    »Manchmal ist Alleinsein ein Vorteil«, schnaubte Othello wütend. Es war kein Vorteil gewesen. Das Alleinsein hatte schrecklich wehgetan – ein einziges Schaf zwischen vier Hunden, zwei Frettchen und einer weißen Gans. Schafe waren für das Alleinsein nicht geschaffen. Traurigkeit machte sich zwischen Othellos Hörnern breit, und so etwas wie Mitleid mit Melmoth,

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