Glenraven
anvertraut… und damit verbunden ihre Zukunft, ihr Leben und ihre Hoffnung. Der Preis für ihre magielose Existenz waren einfache Krankheiten, Seuchen, ein früher Tod und harte Knochenarbeit anstelle des angenehmen Lebens, das sie gewohnt waren. Die Machnan hatten ihr Elend schweigend ertragen - in der Hoffnung auf jenen einen Tag, an dem ihre Helden erscheinen und sie zum endgültigen Sieg über ihre Unterdrücker führen würden. Als die Helden endlich kamen, waren nicht Tage, nicht Monate, sondern Jahre vergangen. Ihre Ankunft hatte sich wie ein Lauffeuer unter den wartenden Machnan verbreitet, und sie hatten sich auf den Kampf vorbereitet. Sie waren bereit gewesen, das letzte Opfer zu bringen, damit ihre Kinder in einer freien Welt aufwachsen konnten… und dann hatte Yemus die Helden einfach so verloren. Sie waren den Alfkindir in die Arme gerannt und für einige Zeit in Aidris Akalans Festung Cotha Faldan verschwunden.
Als Yemus seinen Leuten erklärt hatte, daß er versagt hätte und daß die Machnan wehrlos der Schutzherrin und ihren verhaßten Wächtern ausgeliefert waren, hatte er all ihre Hoffnungen zerstört. Sie würden ihm niemals wieder vertrauen.
Aber er mußte es versuchen.
Yemus ging zu dem kleinen ummauerten Fenster und rief nach der Wache. »Heee! Drastu! Ruf meinen Bruder. Bitte… es ist sehr dringend.« Der Wachposten, der einmal einer seiner besten Freunde gewesen war, ignorierte ihn völlig.
»Drastu! Ich habe gute Nachrichten, aber ich muß mit Torrin sprechen.« Yemus steckte den Arm durch den schmalen Schlitz und winkte. »Drastu… bitte. Ich habe mich geirrt - die Helden sind nicht mit Aidris verbündet. Sie arbeiten gegen die Schutzherrin… aber wir müssen ihnen helfen, wenn sie eine Chance haben sollen. Ich muß mit meinem Bruder reden.«
Der Krieger bewegte sich nicht. Er blickte weder hoch, noch zeigte er irgendeine andere Reaktion.
Yemus ging zu seinem Tisch zurück und starrte auf die Figuren, die eine erneute Niederlage durchspielten. Wenn er seinen Mund gehalten und erklärt hätte, Jayjay und Sophie würden das machen, wozu sie hergekommen waren - nämlich in die Festung der Alfkindir eindringen -, wäre alles in bester Ordnung gewesen. Die Machnan würden auf das Zeichen zum Angriff warten, die Helden wären in Sicherheit und die Zukunft Glenravens gerettet.
Ich habe mir das selbst eingebrockt, dachte Yemus. Ich allein habe uns in diese verzweifelte Lage gebracht. Jetzt stehen wir der Vernichtung gegenüber, nur weil ich die Nerven verloren habe. Ich muß irgend etwas unternehmen.
Aber was?
KAPITEL SIEBENUNDVIERZIG
Jayjay wurde durch das entfernte Grollen des Donners geweckt. Sie schmiegte sich in Arme, die sie zärtlich umschlangen. Regen trommelte auf das Nylon über ihrem Kopf. Das trübe Licht des regnerischen Tages verwandelte sich durch das Gelb des Zeltdaches zu einer angenehmen Imitation von Sonnenschein. Einen Augenblick lang war Jay verwirrt und dachte, sie hätte alles nur geträumt und läge neben Steven… aber erstens waren sie und Steven niemals zelten gegangen, und zweitens hatte sie sich in seinen Armen niemals so geborgen gefühlt.
Jay öffnete die Augen und blickte auf die Hand, die auf ihrem Bauch lag - eine kräftige Hand, muskulös, aber elegant, mit starken Fingern, die in feine Krallen mündeten. Matthiall!
Ja, das ergab Sinn… es paßte zu dem Traum, den sie gehabt hatte - ein schrecklicher und zugleich wunderbarer Traum, der immer noch Teile ihres Verstandes beanspruchte. Irgend etwas war geschehen. Verschwommene, phantastische Erinnerungen…
Irgend etwas war geschehen. Aber was?
Jayjay zog sich von Matthiall zurück, obwohl sie fühlte, daß sie eigentlich bei ihm bleiben wollte, daß sie ihn wecken und berühren wollte und… daß sie ihn lieben wollte? Ja. Jay fühlte, daß sie Matthiall einfach lieben mußte, und ihr Herz bestand darauf, daß sie es bereits tat. Aber ihr Verstand erinnerte sie daran, daß sie eine ziemliche Verliererin war, was die Liebe betraf. Was sie auch fühlte, es war wohl das beste, wenn sie so schnell wie möglich aus dem Zelt verschwand, bevor sie eine Dummheit beging… das hieß, wenn es dazu nicht bereits zu spät war.
O Gott, er sieht einfach wunderbar aus, wie er so daliegt, dachte Jay. Matthialls Gesicht, das im Schlaf so gelassen wirkte, zog sie unwiderstehlich an.
Jay sehnte sich danach, ihrem Gefühl zu folgen, aber sie durfte nicht. Jay durfte ihn nicht lieben, ganz gleich, wie sie sich
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