Glenraven
herausholte. Sie durften nicht ahnen, daß die Anstrengungen sie geschwächt hatten. Sie rief, aber die Antwort war Schweigen.
Sie rief noch einmal.
Sie wartete, während sich die Wellen in ganz Glenraven ausbreiteten und wieder zurückschwappten. Die Wächter antworteten nicht. Aidris öffnete die Augen und runzelte die Stirn. Sie rief noch einmal.
Die Wächter antworteten noch immer nicht.
KAPITEL SECHSUNDFÜNFZIG
Callion umkreiste Matthialls bewußtlosen Körper und streute einige Kräuter auf die Brust des Kin. Dann murmelte er die Worte eines uralten Zaubers, und Matthiall begann sanft von innen zu glühen. Seine Atmung war kaum noch wahrnehmbar, und seine Haut erblaßte… wurde beinahe durchsichtig.
»Ich wage nicht, ihn zu töten«, flüsterte Callion, »aber das hier kommt dem sehr nahe.«
Sein Zauber würde einige Stunden wirken - vielleicht auch einen Tag. Wenn die Wirkung vorbei war, konnte Matthiall zu einem ernsten Problem werden. Bis dahin mußte Callion einen Weg gefunden haben, die Verbindung zwischen ihm und Jayjay zu zerstören. Er mußte einen Ort finden, an dem er Matthiall einsperren konnte.
Callion dachte nach. Es mußte ein Ort sein, der Matthialls magische Fähigkeiten neutralisieren würde… aber es mußte auch ein Ort sein, der ihn vor äußeren Feinden schützte. Callion brauchte Jayjay, und wenn irgend jemand Matthiall tötete und Jayjay als Folge davon starb, dann wären seine großartigen Träume von der Wiedergeburt der Aregen nur noch Schall und Rauch.
Eine Zauberkammer wäre ideal. Wenn er nur eine finden könnte, die versiegelt war…
Plötzlich lachte Callion laut auf. Er hatte jedermann in Glenraven aus seinem Versteck heraus beobachtet, und er erinnerte sich an den Aufruhr in Zearn. Als Resultat war ein Zauberer der Sarijann in seinem eigenen Turm eingemauert worden. Wenn Callion Matthiall in diese Zauberkammer bringen könnte - ein schwieriger Trick, aber nicht unmöglich. Der Turm war nicht gegen die Magie der Aregen gebaut worden. Callion konnte sein Problem auf elegante Art lösen und den verdutzten Machnan ein nettes Rätsel aufgeben.
Callion hockte sich auf den Boden und zeichnete ein kleines Dreieck in die Erde. Dann hielt er die Hand darüber und konzentrierte sich auf eine leere Stelle in der Aptogurria von Zearn. Das Dreieck drehte sich langsam, bis eine Ecke auf Matthiall deutete. Die Erde innerhalb des Symbols nahm ein lederartiges Aussehen an und schwebte hoch, bis sie schließlich auf Augenhöhe mit Callion war. Der Aregen lachte erneut und zog mit dem Finger eine Linie durch die Luft, die von dem dreieckigen Symbol zu Matthialls Brust führte. Das Dreieck setzte sich entlang der Linie in Bewegung und erreichte schließlich den bewußtlosen Kin.
»Geh«, flüsterte Callion.
Matthiall verschwand.
KAPITEL SIEBENUNDFÜNFZIG
Jayjay bewegte sich am Rande eines Alptraums - irgend jemand drückte ihren Kopf unter Wasser und riß ihr das schlagende Herz aus der Brust. Er stahl das einzige, was ihr Leben zum Guten wenden konnte.
Der Traum begann mit einem vagen Gefühl von Furcht und Verlust und wurde bald konkreter. Jay ging durch eine große Menschenmenge. Weiter… und weiter… durch eine Wand von Schweigen. Ihre Schritte wurden immer schwerer, während sie an Leuten vorbeiging, die sie anstarrten. Die Menschen standen zu beiden Seiten eines engen Pfades und starrten Jay aus kalten, grausamen Augen an. Sie ging weiter.
Jay betrat eine Kirche. Sie heiratete… wieder einmal.
»Niemand gratuliert einer Frau, die zum vierten Mal heiratet«, sagte eine Stimme. Es war ihre eigene, aber Jay wußte nicht, woher sie gekommen war. »Niemand freut sich für eine solche Frau. Selbst ihre Freunde sagen ›nun ja, ich hoffe, daß es diesmal klappt‹ oder ›ich hoffe, du weißt, was du tust‹. Niemand wird sagen ›wie wunderbar‹ oder ›ich freue mich ja so für dich‹. Alle anderen werden mit den Augen rollen, lachen und spöttische Bemerkungen machen - so ist das eben.«
Eine tiefe, angenehme männliche Stimme sagte: »Was bedeutet schon, was andere Leute denken?«
Jay kannte die Stimme, doch der dazugehörige Name wollte ihr nicht einfallen. »Es bedeutet etwas«, erwiderte sie.
»Warum?«
Dumme Frage! Weil sie mit den Leuten leben mußte, die ihr den Rücken zuwenden und über ihre Dummheit lachen würden. Jede, die mehr als einmal geheiratet hatte, hatte rasch den Ruf eines Flittchens, und mehr als zweimal… nun ja, mehr als zweimal war der
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