Glenraven
gesellschaftliche Tod.
»Verdienst du denn keine Liebe?« fragte die männliche Stimme.
»Ich habe zu oft Mist gebaut.«
»Das habe ich nicht gefragt. Verdienst du nicht, geliebt zu werden?«
»Jeder verdient, geliebt zu werden.«
»Und ich liebe dich. Ich werde dich lieben und ehren und den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Ich kann dir nicht versprechen, daß ich dich niemals verletzen werde, aber ich werde es niemals mit Absicht tun. Ich werde dich niemals verlassen, und ich werde dich niemals betrügen. Ich werde dich so lieben, wie du es verdienst.«
In ihrem Traum näherte sich Jay dem Altar. Die Menge strebte auseinander, und sie erkannte den Mann, der auf sie wartete. Es war Matthiall.
Jay hatte es immer gewußt, aber sie wollte es nicht wahrhaben. Sie blickte zu Matthiall und spürte Verlangen. Sie liebte ihn. Sophie würde sich schrecklich aufregen, wenn sie sich mit einem nichtmenschlichen Wesen einließ… und erst ihre restlichen Freunde.
Matthiall hatte Jays Leben gerettet, und er liebte sie. Sie kannte ihn nicht besonders gut, aber das war egal. Ihre drei früheren Ehemänner hatte sie lange vor der Hochzeit gekannt, und die Ehen waren zu Alpträumen geworden.
Alpträume.
Alpträume.
Sie befand sich in einem Alptraum. Die Kirche war voll mit ehemaligen Liebhabern, Freunden und Menschen, mit denen sie aufgewachsen war. Ihre gesamte Familie war anwesend. Fremde waren herbeigeströmt, die gehört hatten, daß sie wieder heiratete, und sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. In der hinteren Reihe saßen Leute vor einer ausgebreiteten Decke und veranstalteten ein Picknick. Irgendwer verkaufte Hot-Dogs. Jay konnte ihn zwar nicht sehen, aber seine Rufe waren deutlich zu hören. »Hooot-Dooogs, gudde, gudde Hooot-Dogs!«
»Ich liebe dich«, flüsterte sie zu Matthiall.
Jay blickte an sich hinab und bemerkte, daß sie nackt war - und jeder, den sie jemals gekannt hatte, zeigte mit dem Finger auf sie und lachte.
»Ich liebe dich… aber das würde nie gutgehen. Ich darf mich niemals wieder binden - ich habe einfach kein Glück.«
Jay wandte sich um und rannte los. Sie flüchtete in dieselbe Richtung, aus der sie gekommen war - weg von den spöttischen, fragenden Blicken der Menschen… weg von hier.
KAPITEL ACHTUNDFÜNFZIG
Yemus beobachtete die Figuren, die sich auf seinem Tisch durch das Abbild des Cavitarin-Waldes von Glenraven bewegten. Sein Doppelgänger kam Aidris Akalans Truppen beständig näher, und die Soldaten, die ihm folgten, hatten noch nicht bemerkt, daß sie einer Täuschung hinterherjagten. Inzwischen hatte er Jayjay und Sophie aus den Augen verloren. Das beunruhigte ihn, aber er vertraute darauf, daß sie nichts tun würden, was Glenraven schadete. Er hatte sie schon einmal aufgegeben, und wohin hatte das geführt? Und dazu noch ohne jeden Grund.
Er würde nicht noch einmal das Vertrauen in sie verlieren.
Ein plötzlicher kalter Hauch und eine Veränderung des Luftdrucks im Raum ließen ihn aufschauen, und er sah, wie die Luft in der Nähe der zugemauerten Tür zum Turm sich verdichtete und dunkel wurde. Einen Augenblick lang sah es so aus, als ob aus der Luft ein Tunneleingang sprießen würde. Im nächsten Moment erkannte Yemus, daß es genau das war, denn irgend etwas fiel aus dem Tunnel und landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden. Anschließend verschwand der Tunnel mit einem lauten ›Plopp‹. Er sah vor sich den reglosen Körper eines Mannes. Yemus stand auf und ging zu ihm hinüber, wobei er überlegte, welche Magie die zaubersicheren Mauern der Aptogurria durchbrechen konnte und warum wohl irgend jemand eine solche Kraft einsetzte, um noch einen Menschen in seinem Gefängnis abzuladen… und dann erkannte er, daß der Mann, der sich mit ihm im Raum befand, überhaupt kein Mensch war. Es war ein Alfkindir.
»Warum… ?«
Er kniete nieder und fühlte nach dem Puls. Der Kin hatte zwar einen, aber er schlug schwach und viel zu schnell. Yemus runzelte die Stirn und drehte den Kin auf den Rücken. Der Fremde strömte Macht aus. Yemus vermutete, daß er einer der Kin-Zauberer war. Das machte die Situation jedoch nur noch merkwürdiger. Wer hatte die Kraft, um sich eines Kin-Zauberers zu entledigen… und das, indem er in eine undurchdringliche magische Festung wie die Aptogurria einbrach?
Dahinter steckte Aidris Akalan, entschied Yemus.
Wenn Aidris dahintersteckte, hieß das, dieser Mann hier war ihr Feind. Wenn er aber der Feind der
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