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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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niemals etwas anderes.«
    Jarenn straffte sich. Die Kinder umklammerten ihren Nacken. Sie konnte das wilde Schlagen ihrer Herzen und ihr sanftes, schnelles Atmen spüren. Sie hatten Angst. Jarenn rieb ihre Wange an den kleinen Gesichtern und drückte sie enger an sich. »Ihr müßt tapfer sein. Wir sind zusammen«, beruhigte sie die Kleinen. »Ich bin ja bei euch. Ich werde immer bei euch sein.« Der Klang ihrer Stimme ließ sie ein wenig ruhiger werden, und Jarenn blickte wieder zu Aidris. »Du hast dich geirrt«, sagte sie. »Du hast nicht verstanden, wer der Vogel ist und wer der Wurm. Meine Kinder und ich sind auf den Schwingen des Falken geflogen. Wir kennen Liebe und Freude. Wir kennen das Wunder des Lebens. Wir haben die Sonne gesehen, den Mond und die Sterne. Aber so lange du lebst, wirst du nichts anderes kennen als Schleim, Blindheit und Dreck, Haß und Häßlichkeit, Gift und Bösartigkeit. Du wirst niemals glücklich sein. Dein langes Leben wird nie mehr als eine Aneinanderreihung elender Tage und Nächte sein.«
    Aidris fauchte und schleuderte einen Löffel mit Blut auf die Gefangenen. »Aber ich werde leben.« Das Blut spritzte auf Jarenns Haut, kalt, dick und stinkend. Es traf auch die kleinen Kinder, die sofort zu schreien begannen.
    »Ich werde leben, und ihr werdet sterben.«
    Die Lichter kamen. Die wunderhübschen Lichter. Tayes hörte auf zu weinen, als sie die Lichter sah, die sich über ihre weichen Wangen und das seidige Haar ergossen. Sie lachte.
    Liendr lockerte seinen Griff um den Hals der Mutter und flüsterte: »Sieh mal, Mama. Sieh mal.«
    Die Lichter kamen. Weich, blaß und schön schwirrten sie heran wie Sterne, die man in Schnee verwandelt hatte. Sie berührten Haut und Kleider. Es war, als ließe sich ein Schmetterling nieder.
    Und dann kam der Schmerz.

KAPITEL DREIZEHN
     
    Jays Alpträume flossen ineinander, wurden zu einem einzigen schauerlich surrealistischen Gewirr aus Blut und Knochen. Ein Jäger mit blaugrau-goldenen Augen, Reißzähnen und klauenbewehrten Händen von schmerzhafter, fremdartiger Schönheit; ein fürchterlicher Gestank; das überwältigende Gefühl abgrundtiefer Bosheit. Es war zugleich hell und dunkel, furchtbar und wunderschön. Und mittendrin ertönte das Krähen eines Hahnes wie das Zeichen an Petrus, nachdem er Christus verleugnet hatte, oder die Stimme eines Orakels aus einem heidnischen Tempel.
    Ein winziges Licht berührte Jays rechtes Augenlid. Etwas Scharfes, Schweres kratzte über ihren Arm. Jayjay wachte auf und blickte in die Augen des magersten und häßlichsten Huhns, das sie je gesehen hatte. Als Jay sich bewegte, sträubte es seine dreckigen schwarzen Federn, senkte den Kopf und spreizte die Flügel.
    Jay haßte Hühner.
    »Buh!« flüsterte sie und fuchtelte mit den Armen. Das Huhn pickte nach ihr, erwischte einen Finger und verursachte eine kleine, blutende Wunde. Als sie aufschrie und mit Armen und Beinen um sich schlug, zog es sich zurück. Jay blickte dem flüchtenden Vogel hinterher. »Dir scheint wohl nicht klar zu sein, wer von uns beiden das Mittagessen ist, du… Huhn!«
    Im Hintergrund vernahm sie Sophies Lachen. »Beeindruckend. Ich hatte ja keine Ahnung, wie gut du mit Hühnern umgehen kannst.«
    Jay lutschte an ihrem blutenden Finger und blickte zu ihrer Freundin. »Hast du es vielleicht dazu angestiftet?«
    Sophie grinste. »Darauf kannst du wetten. Das ist meine Art, mich bei dir für die Badezimmer zu bedanken.«
    Jayjay zuckte zusammen. »Wo mögen die nur sein?«
    »Rate mal.«
    »Hmmm. Ein Nachttopf?«
    »O Mann… ein Nachttopf wäre der reinste Luxus, verglichen mit dem hier.«
    Jay biß sich auf die Lippe. »Ein Toilettenhäuschen im Freien?«
    »Hast du ein Toilettenhäuschen gesehen, als wir angekommen sind?«
    »Nein.«
    »Das wirst du auch nicht.«
    »Schlimmer als ein Toilettenhäuschen?«
    Sophie deutete auf das Öltuch vor dem Fenster der Dachkammer, in der sie zusammen mit Jay und mehreren Hühnern die letzte Nacht verbracht hatte. »Wenn wir raussehen könnten, dann würde ich es dir zeigen.« Sie bleckte die Zähne zu einem Lächeln, das einem Werwolf gestanden hätte. »Es ist wirklich toll… dieser kleine Graben, den man in den Dreck bei den Bäumen dort drüben gescharrt hat. Du setzt den ersten Fuß auf die eine Seite und… «, sie schloß die Augen und schüttelte sich, »… und dann hockst du dich hin. Und diese tolle Einrichtung befindet sich noch nicht einmal im Wald, wo man wenigstens vor neugierigen

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