Glenraven
die sehr empfohlen werden. Außerdem scheinen die Befestigungsanlagen sehr interessant zu sein. In Zearn gibt es irgendwas, das sich Aptogurria nennt; allerdings kann ich anhand der Beschreibung nicht herausfinden, was das ist. Daneben gibt es dort eine Mine, einen See und mehrere Gasthäuser… und einen weiteren Markt. Dort soll besonders mit Textilien gehandelt werden. Kein Schloß, nur zwei Festungen - Kewimell und Dothselt. Beide werden noch benutzt, und laut Fodor’s besitzt Kewimell eine einmalige Architektur. Außerdem könnten wir uns ein Boot mieten und ein wenig auf dem See herumfahren.«
Sophie dachte über das Schloß nach. Sie hätte es genossen, in einem echten Schloß zu übernachten. »Besteht die Möglichkeit, daß wir für heute nacht ein Zimmer in Sarijann bekommen - ohne Reservierung?«
Jayjay seufzte. »Kaum. Es war schwer genug, für gestern nacht zu reservieren. Sarijann ist ein hübsches kleines Schloß, das mitten auf einer Insel im Dinnos-See errichtet wurde. Eigentlich hatte ich die beste Suite gebucht. Wenn wir nach Reikstor gehen, dann bedeutet das wieder einen Schritt zurück.«
Jays Prinzipien ließen sich auf einen einzigen Satz reduzieren: Geh niemals zurück! Schau nach vorn, bleib immer in Bewegung. Nie darfst du etwas in deinem Leben wiederholen. Sophie wollte sich wegen der eher unwahrscheinlichen Möglichkeit, in einem Schloß zu übernachten, nicht auf eine Grundsatzdiskussion mit Jay einlassen. »Also auf nach Zearn.« Sie blickte zu ihrer Freundin, die endlich das Buch weggesteckt hatte. »Eins muß ich noch wissen, Jay.«
»Und was?« Jayjay grinste.
»Warum hast du mir niemals etwas über Bill, Stacey oder Steven erzählt?«
»Ich hab’s dir doch gesagt.« Das Grinsen verschwand von Jays Gesicht, und sie wandte den Blick ab. »Ich hab’s dir gestern erzählt.«
»Das meine ich nicht. Wir kennen uns schon, seit wir unsere ersten Zähne bekommen haben, Jay. Wir sind zusammen zur Schule gegangen, hatten die gleichen Lehrer und haben unser Make-up geteilt. Wir… wir haben sogar beide mit Bob Blatzmeir rumgeknutscht. Durch dich habe ich alle deine Ehemänner kennengelernt. Wenn ich in meinem Leben so viel Kummer gehabt hätte, dann hätte ich… hätte ich… « Sie verstummte.
Jay blickte sie von der Seite an, hob eine Augenbraue und schwieg. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen.
Sophie sah weg und schluckte. Die Lüge war ihr im Hals steckengeblieben. Sie spürte, wie die Temperatur in ihren Wangen stieg, und hoffte, daß sie nicht rot wurde. Wußte Jay Bescheid? Ihr Blick schien darauf hinzudeuten. Aber wie hätte sie es erfahren sollen? Sie atmete tief durch. Oder hatte Jayjay Bennington einfach nur geblufft, um vom Thema abzulenken? Das war die wahrscheinlichste Erklärung. »Ich möchte wirklich eine Antwort, Jayjay. Wenn deine Ehemänner so schrecklich waren, warum hast du mir nichts gesagt? Vielleicht hätte ich dir helfen können.«
Einen kurzen, unangenehmen Moment lang trotteten die Pferde weiter über den Pfad, während Jay schwieg. Dann räusperte sie sich und blickte entschlossen nach vorn. »Soph, es gibt Menschen auf dieser Welt, die es toll finden, wenn man sie bedauert; ich gehöre nicht dazu. Ich habe es dir nicht erzählt - ich habe es meiner Familie nicht erzählt - ich habe es niemandem erzählt. Ich wollte nicht, daß irgendwer hinter meinem Rücken flüstert, ›Oh, die arme Julie, sie hat ja so einen fürchterlichen Mann geheiratet… hast du schon gehört, daß er sie schlägt?‹ Das habe ich nie gewollt.« Jayjays Gesicht wurde hart. »Ich hielt es für besser, den Sündenbock als das Schaf zu spielen. Als meine Ehen in die Brüche gingen, erzählte ich Leuten, die absolut nichts für sich behalten können, erfundene Geschichten von leidenschaftlichen Affären. Früher oder später mußten die Gerüchte bis zu meinen Ehegatten vordringen und… pffft! … Herr Ich-will-sofort-die-Scheidung stürmte durch die Tür.« Sophie fand Jays humorloses Grinsen nervend.
»Das hat dich nicht gerade in eine günstige Ausgangsposition für die Scheidung gebracht.«
»Ich wollte nichts von ihnen. Ich wollte sie nicht mehr sehen müssen. Ich konnte mich damals um mich selbst kümmern, und ich kann es auch heute noch.« Sie drehte sich um und warf Sophie einen entschlossenen Blick zu. »Ich bin niemandes Opfer, und ich will nicht so behandelt werden.«
Sophie erinnerte sich, wie Jay Bill das Haus bedingungslos übertragen
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