Glenraven
nur eine einzige mitgenommen… und noch eine mit geräuchertem Lachs. Ich hab’ damit gerechnet, daß eine Zeit kommt, in der ich mich nach den Annehmlichkeiten der Heimat sehnen würde - und da ich nicht wußte, wie man einen kompletten Supermarkt transportiert… «
»Aber ausgerechnet Frühstücksfleisch ?«
Jay zuckte mit den Achseln. »Mir schmeckt’s. Verklag mich doch.«
Sophie und Jay saßen vor dem Zelt, starrten ins Feuer, und der Geruch des schmorenden Fleisches, das in der kleinen Pfanne brutzelte, ließ ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sophie besaß einen großen Vorrat an getrockneten Früchten und Keksen, die sie zu dem Mahl beisteuerte. Jede hatte ihr eigenes Campinggeschirr. Die beiden Frauen aßen schweigend und starrten in die tanzenden Flammen. Sie warteten auf ein Zeichen… und warteten.
Am westlichen Horizont glitzerten die Sterne. Im Osten wurde die Nacht vom bleichen Licht des aufgehenden Mondes erhellt. Sophie hörte den Ruf einer Eule, das Summen der Insekten und das Rauschen des kleinen Flusses. Kein Windhauch bewegte die süßlich riechende Luft. Nirgendwo war das Flackern der seltsamen Glühwürmchen zu erkennen.
Die Pferde verhielten sich ruhig. Sie standen mit gesenkten Köpfen da und wedelten sich gegenseitig mit den Schweifen die Insekten aus dem Gesicht.
»Wenigstens eine von uns sollte schlafen«, sagte Jay.
Sophie hatte sich so sehr auf die Geräusche außerhalb des Lagers konzentriert, daß Jays Stimme sie ebenso erschreckte, als hätte jemand direkt neben ihrem Ohr einen Schuß abgefeuert. Sie sprang hoch und blickte entsetzt zu ihrer Freundin. »Mein Gott, Jay, du hast mich fast zu Tode erschreckt.«
»‘tschuldigung. Ich hab’ nur laut gedacht.«
Sophie spürte, wie ihr Herzschlag sich beruhigte. Sie atmete tief durch. »Ich weiß. Eine von uns muß auf das Feuer aufpassen und sich um die Pferde kümmern… und so weiter.«
»Wenn du willst, übernehme ich die erste Wache«, erklärte Jay.
Sophie schnaubte. »Nach diesem Adrenalinschub glaube ich nicht, daß ich jetzt schlafen könnte. Also kann ich genausogut die erste Wache übernehmen. Du kannst dich hinlegen.«
Jay lächelte dankbar - und es war ehrlich gemeint. Sophie beobachtete ihre Freundin, während sie ins Zelt kroch. Sie hörte das Rascheln, als Jay in ihren Schlafsack krabbelte. Jayjay - der ultimative Morgenmensch - benötigte ihre acht Stunden Schlaf mehr als jeder andere, den Sophie kannte. Trotzdem würde sie fähig sein, ihre Wache zu übernehmen… vielleicht. Sophie hielt es für das beste, sie gegen zwei oder drei Uhr zu wecken. Dann war es schließlich schon Morgen, und Jay konnte den typischen Morgenmenschen spielen.
Sophie zog ihren eigenen Schlafsack aus dem Zelt und legte ihn hinter sich. Sie hockte mit angezogenen Beinen auf dem Boden und hatte die Arme um die Knie geschlungen. Sie legte das Kinn auf die Knie und starrte ins Feuer.
Sophie wollte nicht mehr über die Geräusche des Waldes und das immer wiederkehrende Gefühl des Beobachtetwerdens nachdenken. Solange die Pferde sich ruhig verhielten, gab es keinen Grund, nervös zu werden. Die Tiere würden eine Gefahr lange vor ihr bemerken. Nachtvögel glitten geräuschlos über das Lager hinweg. Ihre tiefen Schatten zeichneten sich gegen das Licht des Mondes ab. Fledermäuse flatterten vorbei, die Pferde dösten, und das Feuer knisterte beruhigend.
Sophie legte trockenes Holz nach. Es fing sofort Feuer, und nach kurzer Zeit brannte es in gleichmäßig rotgoldenem Licht. Einen Augenblick lang stellte Sophie sich vor, wie Mitch und Karen ihr gegenübersaßen - wie sie lachten und redeten, während sie Marshmallows über dem Feuer rösteten und lustige Lieder sangen. Sie lächelte. Sophie hatte schon eine Ewigkeit nicht mehr an diesen Ausflug zurückgedacht. Sie sah Karen, wie sie ihren Eltern auf einem umgestürzten Baumstamm gegenübergesessen hatte… zehn Jahre alt und mit vorstehenden Zähnen, bevor sie ihre erste Zahnspange bekommen hatte. Ihre Augen hatten geleuchtet, als sie aus voller Kehle eines der lustigen Lieder angestimmt hatte. Es war ein fürchterliches Gegröle gewesen. Karen… und Mitch… und Sophie.
Sophie und Mitch hatten ihre Marshmallows geröstet, bis sie eine sanfte, goldbraune Farbe bekommen hatten. Karen hatte ihre ins Feuer geworfen und beobachtet, wie sie außen verkohlten. Dann hatte sie sie herausgefischt und das flüssig gewordene Innere getrunken. Karen war fest davon überzeugt gewesen,
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