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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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aufeinander zu, bis sie schließlich eine erkennbare Form annahmen - Arme und Beine, Hüften und Brust und ein Gesicht, das immer schöner wurde, je mehr Konturen es bekam. Vor den beiden Frauen entstand eine Frau aus Licht, die so groß war wie ein dreistöckiges Gebäude.
    Die Lichtfrau bedachte ihre beiden Opfer mit einem Lächeln, wie es eine Mutter gegenüber ihren Kindern gezeigt hätte. Sie ließ sich auf ein Knie nieder und streckte die Arme aus. Jay nahm die Stimme dieses… Dings … nur als ein Flüstern in ihrem Kopf wahr.
     
    Komm
    komm zu mir uns
    wir wollen
    Liebe wünschen
    wollen wollen euch
    Liebe wir euch geben können
    geben euch Frieden
    Frieden Ruhe
    Stille
    Liebe Komm
     
    Nein, dachte Jay - das glaube ich kaum. Heute jedenfalls nicht.
    »Ist es das, was die Soldaten gesehen haben?« fragte Sophie.
    »Wahrscheinlich. Deshalb hörten sie sich am Anfang wohl so glücklich an.« Jay wich einen Schritt zurück… und noch einen. Vorsichtig entfernte sie sich von dem Ding.
     
    Ihr wir ihr
    brauchen uns
    brauchen
    ich
    wir geben können
    was ihr wollt
    alles
    Alles!
     
    Jay verlangte es weder nach Ruhe und Frieden noch nach Erlösung von den Problemen, die sie in der Außenwelt erwarteten. Statt dessen freute sie sich sogar beinahe darauf. Verlangen. Sie hatte einfach kein Verlangen nach dem, was das Ding ihr anbot, trotzdem… ein verräterischer Teil in ihrem Unterbewußtsein tat, als gefiele es ihm.
    Sophie war Jayjay zwei Schritte gefolgt; als ihre Freundin noch einen dritten machte, blieb sie stehen. Sophie legte den Kopf auf die Seite, als lausche sie auf irgend etwas. Einen Augenblick verhielt sie sich vollkommen ruhig. »Oh«, flüsterte sie. »Ja… « und ging auf das Ding zu.
    Jayjay packte Sophies Arm. »Nein, Sophie. Das ist eine schlechte Idee - eine verdammt schlechte Idee, Soph. Ich weiß nicht, was es dir erzählt, aber hör nicht hin.«
    »Karen«, sagte Sophie leise. »Sie kann mich zu Karen bringen.«
    »Kann sie nicht.« Jay ging auf ihre Freundin zu, legte ihr die Anne um die Hüften und zog sie wieder zurück. »Sie lügt.«
    »Das weißt du nicht.«
    Das war zwar richtig, aber trotzdem zerrte Jay weiter an Sophie. Sie wußte es wirklich nicht. Allerdings war die Wahrscheinlichkeit nicht sonderlich groß, daß die Lichtfrau die Wahrheit sagte.
    Sophie versuchte sich loszureißen. Obwohl Jay dagegen ankämpfte, bewegten sie sich immer weiter vorwärts. Sophie wollte der Lichtfrau glauben, und deshalb war sie wesentlich stärker als Jay.
    Jay verdoppelte ihre Anstrengungen.
    Die Frau lächelte noch immer.
    Sophie gelang es, einen weiteren Schritt nach vorne zu machen und Jay mitzuziehen.
    Scheiße! dachte Jay.
    Wie konnte sie Sophie aufhalten? Die Taschenlampe an ihrem Gürtel? Wäre einen Versuch wert. Alles wäre einen Versuch wert. Jay klammerte sich mit einem Arm weiter an ihre Freundin und wurde ein weiteres Stück nach vorne gezogen. Während sie mit der anderen Hand die Taschenlampe losmachte, betete sie zu Gott, daß sie lange genug aushalten würde, so daß es noch Sinn machte. Hoffentlich verursache ich keinen permanenten Schaden, dachte Jay. Mit einem eleganten Schwung schlug sie Sophie die Lampe über den Schädel.
    Sophie stöhnte auf und erschlaffte wie ein nasser Sack - direkt in Jays Arme.
    Das schöne Gesicht fauchte. Die Lichtfrau richtete sich auf und stieß einen unmenschlichen Schrei aus.
    »O Gott«, flüsterte Jay. Sie griff Sophie unter die Arme und begann, sie von der Lichtgestalt wegzuschleppen.
    Die Frau machte einen langen Schritt auf sie zu.
    Ich werde sterben - sterben, sterben, sterben - werde sterben…
    Jays Verstand hatte den Kampf bereits aufgegeben, doch ihr Körper ging weiter. Es war hoffnungslos. Zurück, zurück, immer weiter zurück. Das Ding machte einen weiteren Schritt nach vorn, und sein Gesicht verwandelte sich in etwas abgrundtief Böses. Das Licht formte sich zu der Fratze eines Drachens. Es hatte Hörner auf dem Kopf, eine gespaltene Zunge und Zähne, so lang wie Jays Arm.
    Bleib bloß nicht stehen. Immer weiter…
    Plötzlich durchfuhr Jay ein unglaublicher Schmerz, der sie wie ein unsichtbares, kaltes Feuer von innen heraus zerfraß. Sie wurde in die Luft gehoben, weg von der Lichtfrau, und in die Dunkelheit geschleudert. Jay hörte einen Schrei und dachte im ersten Moment, Sophie wäre wieder wachgeworden, bis sie bemerkte, daß der Schrei aus ihrem eigenen Mund gekommen war.
     
     
    Jay schwebte eine Ewigkeit in der Luft.

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