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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Stunden, Tage, während die Zeit in der Welt unter ihr stehenblieb. Dann schlug ihr Körper gegen einen Baum und krachte zu Boden. Hinter ihren geschlossenen Augenlidern tanzten Lichter, und der Schmerz schien ihr die Brust zu zerquetschen. Jay versuchte zu atmen und stellte fest, daß sie nicht mehr wußte, wie das ging. Sie lag ausgestreckt auf dem Boden, und ihr Körper brannte wie Feuer. Jay war sicher, daß sie sterben würde - oder wenn nicht, dann wünschte sie sich zumindest, daß der Tod sie erlösen würde.
    Jayjay hörte den Schrei der Lichtfrau - und dann noch etwas, das ihre sämtlichen Urängste auf einmal weckte. Von überall her erklang plötzlich ein leises Klagen. Das Geräusch begann kaum hörbar irgendwo in ihrem Kopf und steigerte sich schnell zu einer Kakophonie - die Stimme des Wahnsinns, und der Wahnsinn besaß viele Stimmen. Jay bekam eine Gänsehaut, und ihr Mund war wie ausgetrocknet.
    Irgendwo in der Nähe bewegte sich etwas schnell über die vertrockneten Blätter. Plötzlich sprang ein gigantischer Schatten über Jay hinweg, der nur kurz im blassen Licht des Mondes zu sehen war. Vier Beine… dieses Biest besaß vier Beine und ein dunkles Fell. Was auch immer das gewesen sein mochte, es hielt nicht an. Jay fragte sich, ob die Kreatur sie vielleicht für tot gehalten hatte und zurückkehren würde, nachdem sie Sophie verschlungen hatte.
    Ein schmerzhafter Augenblick verging, bis ihr bewußt wurde, daß sie noch immer lebte. Der Schmerz ließ nach, und Jay konnte wieder atmen. Gierig sog sie die kühle Nachtluft ein.
    Das Heulen kam näher und wurde lauter. Jetzt waren auch die Stimmen von Männern zu hören. Für einen Augenblick war der gesamte Wald von Licht erfüllt; aber es war ein grünliches Licht ohne Donner, Blitz und den Gestank von Ozon - ein kurzer, blendender Blitz, dann Dunkelheit. Jay drehte den Kopf und sah zu dem Ort, wo die Lichtfrau gestanden hatte… und sah, wie die tödlichen Lichter sich auflösten und davonstoben wie die Funken eines Feuers.
    Heulen, Klagen, Schreien; das verworrene und irre Geflüster der Lichtgestalt; das unverständliche Gewirr von tausend Stimmen.
    Dann… Stille.
    Die Geräusche verstummten so plötzlich, daß es unheimlich war - in einem Moment noch Lärm, im nächsten Stille, und in die Stille krochen die Geräusche des nächtlichen Waldes. Das Wasser des Flusses rauschte, die Vögel sangen, und die Insekten summten.
    Ich lebe, dachte Jay. Sie blickte in den Himmel, grinste wie ein Idiot und fühlte den Schmerz in jedem einzelnen Knochen… und sie war dankbar dafür.
    »Ich lebe«, flüsterte Jay. »Ich lebe.«
    Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke. Was war mit Sophie geschehen?
    Jayjay versuchte aufzustehen. Der Schmerz war erträglich gewesen, solange sie sich nicht bewegt hatte. Jetzt aber fuhr er mit aller Wucht durch ihren Körper. Jay konnte sich nicht mehr daran erinnern, mit welchem Körperteil sie gegen den Baum geprallt war - sie spürte jeden einzelnen Knochen. Vielleicht hatte sie sich etwas gebrochen. Jay versuchte den Kopf zu heben, doch der Schmerz war so stark, daß sie befürchtete, ohnmächtig zu werden. Dann wäre sie eine leichte Beute für… was auch immer sie durch die Gegend geworfen hatte.
    Jayjay blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen und versuchte kein Geräusch zu machen. Sie wartete auf den vierbeinigen Alptraum, der mit Sicherheit zurückkommen würde, um sie zu zerreißen.
    Plötzlich hörte sie Sophie jammern: »Jay?«
    Das kam ganz aus der Nähe. Sophie lebte also noch. Aber wenn sie weiterhin derartigen Lärm machte, hätte das Biest mit Sicherheit bald seine Beute. Normalerweise wäre Sophie vernünftig genug gewesen, kein lautes Geräusch zu verursachen und dadurch ihren Standort zu verraten - wenn Jayjay ihr nicht auf den Kopf geschlagen hätte. Jetzt war es vielleicht zu spät.
    Jay rollte herum. Ein stechender, glühendheißer Schmerz durchfuhr sie vom Rücken bis in Arme und Beine. Sie biß die Zähne zusammen und versuchte erneut aufzustehen.
    Ich muß sie retten. Verdammt noch mal, ich muß irgend etwas unternehmen. Irgend etwas… aber was?
    »Jay… Jay?« Sophie würde sich noch selbst umbringen.
    Halt’s Maul, du Idiotin, dachte Jay… aber wütende Gedanken würden Sophie auch nicht helfen. Verdammt!
    Schneller. Ich muß zu ihr. Ich muß. Sofort!
    Jay grub ihre Finger in die Rinde des Baumes und versuchte, sich daran hochzuziehen.
    Kleine rote Flecken tanzten vor ihren Augen, und

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