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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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nichts von einem Sperrgebiet bekannt.«
    »Ich habe keine Vollmacht, näher darauf einzugehen. Es ist am einfachsten für alle Beteiligten, wenn ihr 239

    Kooperationsbereitschaft zeigt. Es wird nicht mehr lange dauern.«
    »Kooperationsbereitschaft! Ausgerechnet du redest über Kooperationsbereitschaft! Was macht ihr hier eigentlich auf dem Gletscher? Warum habt ihr einen von meinen Leuten umgebracht? Was habt ihr da für ein Flugzeug auf dem Gletscher? Was soll diese verdammte Geheimniskrämerei?«
    »Ihr werdet uns jetzt eure gesamte nachrichtentechnische Ausrüstung aushändigen, Telefone, Funkgeräte, aber auch die Notraketen«, erklärte der Truppenführer, ohne auf Júlíus’
    Fragen einzugehen.
    »Unsere Ausrüstung? Bist du verrückt geworden? Wir haben einen Notruf aus eurem so genannten Sperrgebiet erhalten.
    Isländer sind dort in Gefahr und …«
    »Das ist ein Missverständnis. Außer euch sind hier keine anderen Isländer unterwegs«, schnitt ihm der Truppenführer das Wort ab. Er wirkte vollkommen ruhig und souverän, aber in seiner Stimme schwangen auch Ungeduld und Arroganz mit.
    Júlíus ging das gegen den Strich, aber der Lauf der Maschinenpistole hinderte ihn daran, etwas dagegen zu unternehmen. Er hatte aber keine Angst vor diesem Soldaten, der ihn mit einer Maschinenpistole bedrohte. Die Situation kam ihm nicht gefährlich vor, sondern eher absurd und unrealistisch.
    »Und falls wir uns den Befehlen der amerikanischen Truppen widersetzen, wird auf uns geschossen?«
    »Wir haben unsere Befehle.«
    »Du kannst mich mal mit deinen Befehlen. Ihr habt kein Recht, uns hier aufzuhalten. Es gibt kein Sperrgebiet auf dem Gletscher. Angeblich gibt es hier vermehrte vulkanische Aktivitäten, aber wahrscheinlich ist das genauso ein Schwindel wie euer Sperrgebiet. Auf isländischem Hoheitsgebiet könnt ihr euch nicht benehmen, wie es euch passt. Und von unseren Geräten werden wir euch kein einziges überlassen.«
    240

    Sie blickten sich eine Weile in die Augen.
    »Wir lassen uns nicht aufhalten«, erklärte Júlíus.
    Er drehte sich um und ging zurück zu seiner Mannschaft. Er sah nicht, wie der Truppenführer einem seiner Leute ein Zeichen gab. Der riss sich die Maschinenpistole von der Schulter und brachte sie in Anschlag. Júlíus hatte noch nicht ganz das erste Raupenfahrzeug erreicht, als die Salve losging. Kühlergrill und Motorhaube wurden vor Júlíus’ Augen von den Kugeln zersiebt.
    Ohrenbetäubender Lärm zerriss die Stille der Gletscherwelt, als die Kugeln den Stahl durchschlugen. Júlíus warf sich zu Boden.
    Der Motor hatte Feuer gefangen, und in einer kleinen Explosion wurde die Motorhaube hochgeschleudert. Sie bohrte sich in das Dach des Fahrzeugs. Die Leute, die darin saßen, traten die Türen auf, warfen sich aufs Eis und brachten sich kriechend in sichere Entfernung. Bald stand das ganze Fahrzeug in Flammen und erhellte die winterliche Dunkelheit.
    Die Gewehrsalve endete ebenso plötzlich, wie sie begonnen hatte. Kurze Zeit später richtete Júlíus sich auf. Der junge Truppenführer trat dicht an ihn heran, als sei nichts vorgefallen.
    Sämtliche Soldaten hatten ihre Maschinenpistolen in Anschlag und richteten sie auf die Angehörigen der Rettungsmannschaft.
    »Handys, Funkgeräte und Notraketen«, sagte der Truppenführer mit der gleichen flachen, tonlosen Stimme. Júlíus blickte sich um, sah das lichterloh brennende Raupenfahrzeug und die schwer bewaffneten Soldaten. Er konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Er schaute auf seine Leute, die aus dem Fahrzeug gesprungen waren, und die anderen, die bei den Motorschlitten standen. Auf dem Gletscher waren fünfzehn Grad Frost, doch das brennende Fahrzeug strahlte etwas Wärme aus.

    Kristín sah sie zuerst. Sie hatte den Gletscher erklommen, als sie Lichter in der Finsternis bemerkte. Sie kamen auf vier 241

    Motorschlitten angebraust und tauchten in dem Moment auf, als Steve zu Kristín aufgeschlossen hatte. Er war wieder zurückgefallen, und sie hatte eine Pause gemacht, um auf ihn zu warten. Sie schauten einander in die Augen und dachten beide dasselbe. Sie waren davon ausgegangen, dass die Soldaten auf dem Gletscher patrouillierten. Es war hoffnungslos, vor ihnen zu fliehen, und das hatten sie auch nicht vor. Deshalb blieben sie stehen und warteten auf sie.
    Sie hatten zwar darüber gesprochen, dass die Truppeneinheiten voraussichtlich versuchen würden, sie abzufangen, aber sie waren doch überrascht, wie schnell das ging. Sie

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