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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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fürchteten um ihr Leben, aber sie hatten alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die ihnen zu Gebote standen. Alle, die es wissen mussten, wussten, was gespielt wurde. Das war Kristíns Lebensversicherung. Ob die Police gültig war, stand auf einem anderen Blatt.
    Die vier Männer umringten sie auf ihren Motorschlitten, und einer von ihnen, den Kristín für den Anführer der Gruppe hielt, stellte den Motor aus und stieg ab. Er trug eine Skibrille und steckte genau wie die anderen drei in dicken Schneeanzügen und Fäustlingen. Er nahm sich den Schal vom Mund.
    »Ich muss euch bitten, umzukehren und den Gletscher zu verlassen«, erklärte er. »Ihr seid hier ins Sperrgebiet des amerikanischen Militärs eingedrungen.«
    »Sperrgebiet«, stieß Kristín hervor. Das waren die Soldaten, die ihr Bruder gesehen hatte. Vielleicht waren es die Soldaten, die ihn auf dem Gletscher festgenommen hatten. Vielleicht waren es dieselben, die ihn in die Gletscherspalte geworfen hatten.
    »Sperrgebiet des amerikanischen Militärs«, wiederholte der Soldat. »Unser Manöver hier ist genehmigt. Das Gebiet ist für Unbefugte gesperrt. Also bitte, kehrt um.«
    »Kehr doch selber um«, sagte Kristín und zog an seiner 242

    Skibrille, um dem Soldaten in die Augen zu sehen. Er zog den Kopf ruckartig zurück, und die Brille schnellte ihm ins Gesicht.
    Der beißende Frost verstärkte den Schmerz, und für einen Augenblick verlor er die Beherrschung und schlug Kristín den Kolben seiner Maschinenpistole ins Gesicht. Sie stürzte aufs Eis, und als Steve auf den Soldaten losgehen wollte, traf ihn der Kolben mit voller Wucht im Magen. Steve krümmte sich und sank in die Knie. Blut sickerte Kristín aus Nase und Mundwinkeln. Sie versuchte, wieder aufzustehen, aber der Soldat trat mit einem Fuß nach ihr, sodass sie wieder hinfiel.
    »Ihr kehrt um«, sagte der Soldat.
    »Hat Ratoff euch geschickt?«, schrie Kristín ihn an.
    Der Soldat schwieg.
    »Sag Ratoff, dass ich ihn treffen möchte«, sagte Kristín.
    »Was weißt du über Ratoff?«, fragte der Soldat und merkte im gleichen Augenblick, dass er zu viel preisgegeben hatte, weil Kristín ihn so verblüfft hatte.
    »Ich weiß, dass er ein Mörder ist«, antwortete Kristín.
    Der Soldat schaute sie eine ganze Weile an und blickte dann zu Steve, als müsse er überlegen, was jetzt zu tun sei. Er ging die Optionen durch, griff dann in die Innentasche seines Overalls und zog ein Handy heraus. Er tippte eine Nummer ein und bekam augenblicklich eine Verbindung. Er ging etwas zur Seite, und Kristín konnte kaum verstehen, was er sagte.
    »Ein Mann und eine Frau, ja«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Sie kennt Ihren Namen. Moment, Sir«, sagte er dann und ging wieder zu Kristín.
    »Bist du Kristín?«, fragte er.
    Sie schaute ihn an, ohne ihm eine Antwort zu geben.
    »Hast du einen Bruder, der gestern hier auf dem Gletscher war?«, fragte er.
    »Ihr habt ihn umgebracht«, zischte Kristín zwischen 243

    zusammengebissenen Zähnen.
    »Das passt, Sir«, sagte der Soldat am Telefon. »Verstanden«, erklärte er dann, stellte das Handy ab und drehte sich zu seinen Leuten um.
    »Wir nehmen sie mit«, sagte er zu ihnen, und sie stiegen von ihren Schlitten.
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    Er hat die Beherrschung verloren. Kreutz. Er muss der jüngste von ihnen sein, hat aber trotzdem schon einen sehr hohen Rang.
    Er sprach zunächst ruhig zu seinen Gefährten, wurde dann aber immer erregter, und zum Schluss brüllte er. Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagten. Ich weiß nicht, was sie ihm geantwortet haben, aber irgendetwas hat ihn völlig aus der Bahn geworfen. Er sprang auf und tigerte in der Maschine hin und her, rüttelte an der Tür und schrie und brüllte und hämmerte gegen die Wände. Er warf eine der Petroleumlampen um, die wir seitdem nicht wieder anbekommen haben. Einer der beiden anderen hat sich dann plötzlich auf ihn geworfen, und nach einigem Gerangel in der engen Maschine konnte er ihn überwältigen. Ich habe mich von ihnen fern gehalten, war im Cockpit. Eigentlich ist kaum noch genug Licht, um zu schreiben.
    Nur noch eine Lampe, die funktioniert. Kaum noch Petroleum.
    Bald wird völlige Finsternis herrschen.
    Vielleicht haben sie sich darüber gestritten, ob es ein Fehler war, in der Maschine zu bleiben und nicht mit von Manteuffel zu gehen. Vor Kälte und Sturm konnte man draußen kaum aufrecht stehen, aber Manteuffel hat sich davon nicht abhalten lassen.
    Unsere Versuche, die Tür aus den Angeln zu

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