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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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Punkt, der größer war als ein Stern. Er sah einen Planeten.

14
    Die klare, kühle Gebirgsluft tat unglaublich gut. Es war eine
Wohltat, tief einzuatmen und langsam wieder auszuatmen, ganz dem Rhythmus des
Gehens entsprechend.
    Mit den Stirnlampen leuchteten sie kalte Lichtkegel in die
sternklare Nacht. Es wäre für Marielle ein geradezu berauschendes Erlebnis
gewesen, den Duft dieser Luft zu atmen, das Tosen der nahen und ferneren
Wildbäche zu hören, die Bergspitzen im schwachen Licht des Sternenhimmels zu
sehen – wäre es nicht ein Aufstieg, bei dem die Gedanken an Gefahr und Tod die
Begleiter waren.
    Pablo schritt kräftig aus. Sie war immer wieder beeindruckt, über
welche Kräfte und welche Ausdauer er verfügte. Ich muss trainieren wie blöd,
dachte sie, um annähernd seine Fitness zu haben. Und er trainiert eigentlich
kaum, geht nur so oft wie möglich in die Berge und ist einfach bärenstark.
    Und das, obwohl oder gerade weil Pablo eher schmal gebaut war, nicht
sonderlich muskulös wirkte. Er verfügte über eine angeboren gute Konstitution,
er war zäh, besaß ein großes Bewegungstalent und eine oft stoische Gelassenheit
– sonst würde er es mit mir auch gar nicht aushalten, dachte Marielle bisweilen –, und er war nervlich belastbar. Marielle beneidete ihn manchmal um seine
Eigenschaften. Er studierte, ging klettern, schlief mit ihr, war auch sonst gut
zu ihr, kurzum: Er schien mit seinem Leben zufrieden. Und das Aufklären alter
Fälle, zu dem er mit ihr gemeinsam seinen Teil beitrug, schien ihm eine nette
Nebensache zu sein – spannend, anregend und irgendwie besonders.
    Sie stiegen zur Kasseler Hütte hinauf, schnell und schweigend. Sie
ging zwei Schritte hinter Pablo und leuchtete mit ihrer Lampe immer mal wieder
seinen kleinen Hintern an. Die Bewegungen seiner Pobacken gefielen ihr. Aber
sie wusste auch, dass jetzt nicht der richtige Moment war, um darüber
nachzudenken, wie es sich anfühlen würde, wenn sie jetzt aufeinander,
aneinander im Bett lägen und er seinen Po so rhythmisch kreisen ließe.
    Nicht jetzt, dachte sie.
    Sie war ein bisschen müde, und sie wäre gern daheim gewesen. Obwohl
sie derartige Nachtwanderungen eigentlich immer gemocht hatte: das nächtlich
frühe Aufbrechen bei langen Gletschertouren zum Beispiel oder auch die späten
Abstiege nach einem langen Hüttenabend.
    Es war jedoch anders geworden. Das Gebirge hatte seine Unschuld
verloren. Zweimal war sie in den letzten Jahren in Lebensgefahr geraten, nicht
durch Lawinen, nicht durch Steinschlag, sondern durch Menschen, die ihr nach
dem Leben getrachtet hatten. Das Gebirge war nicht mehr nur schön für sie. Es
war – ja, wie war es?
    »Warte mal kurz«, sagte sie.
    Pablo blieb stehen, wandte sich zu ihr um, fragte: »Magst du was
trinken?«
    »Hmmhmm«, verneinte sie. »Ich möchte nur Musik hören.« Sie holte
ihren iPod aus der Deckeltasche des Rucksacks und drückte sich die Stöpsel ins
Ohr.
    »Was hörst du?«, fragte Pablo.
    »Weiß noch nicht.«
    Marielle entschied sich für »SuperHeavy«. Sie hatte zwei, drei Songs
aus dem neuen Mick-Jagger-Album auf FM 4
gehört und war auf Anhieb von dieser Mischung aus Rock und Reggae begeistert
gewesen. Die Stimmen von Joss Stone, Damian Marley und Mick Jagger taten ihr
jetzt einfach gut.
    »›SuperHeavy‹«, sagte sie, als sich Pablo schon wieder zum
Weitergehen angeschickt hatte.
    »Was?«, fragte Pablo.
    *
    Ellen hatte eine CD gekauft und
Schwarzenbacher damit überrascht. Sie hatte in irgendeinem Magazin gelesen,
dass der Jazz-Akkordeonist Richard Galliano die Musik des Filmkomponisten Nino
Rota neu interpretiert hatte.
    Jetzt saß er auf seiner Couch und hörte die Musik, die in ihren
ursprünglichen Versionen beispielsweise zu Filmen von Fellini gehört hatten.
    Sie ließ ihn ganz ungestört die Musik genießen, schaffte in der
Küche ein wenig Ordnung, achtete dabei immer darauf, keinen Lärm zu machen, und
hin und wieder lurte sie durch die lediglich angelehnte Tür. Es war ihr eine
Freude, ihn so zu sehen: ganz wach, beinahe andächtig, hoch konzentriert und
irgendwie glücklich, ja, einfach glücklich.
    Schwarzenbacher sah sie. Er lächelte sie an und klopfte mit der
flachen Hand auf den Platz neben sich. Komm, setz dich, sollte das heißen.
    Ellen setzte sich zu ihm, still, und hörte mit ihm Musik. Nach ein
paar Takten nahm sie seine Hand und zog sie zu sich auf den Schoß.
    »Sie gefällt dir, die Musik?« Es war eigentlich keine Frage.
    Er sah sie an,

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