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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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hellen Tages. Doch
zum Staunen oder gar Genießen blieb keine Zeit. Hosp befragte die Wirtsleute,
ob sie etwas über den Verbleib des Fotografen wussten – ohne Erfolg. Weder,
dass er sich bei ihnen gemeldet hätte, noch, dass ein Eintrag im Hüttenbuch
verzeichnet wäre. Immerhin kam aus Mayrhofen die Nachricht, dass man seinen
Wagen am Bergsteigerparkplatz entdeckt hatte.
    »Macht euch auf in die Lüfte«, sagte Hosp zu den Piloten. »Wir
suchen einen Mann, der wahrscheinlich allein unterwegs ist. Der vor allem hier
heroben ist, um Gletscher zu fotografieren. Irgendwo muss er einen Schlafplatz
haben: Schlafsack, Proviant, all das. So was ist meines Wissens heutzutage
knallbunt und müsste eigentlich leicht zu finden sein.«
    »Haben Sie eine Ahnung«, sagte einer der Piloten, »wie schwer es
ist, aus der Luft derartigen Kleinkram zu erkennen? Stecknadel und Heuhaufen,
Sie wissen, was ich meine …«
    »Kann ich mir vorstellen. Aber wir haben keine andere Wahl. Das
Handy ist abgeschaltet. Wir können ihn nicht erreichen.«
    »Warum veranlasst ihr nicht eine Peilortung?«, fragte einer der
Piloten. »Muss doch möglich sein. Auch im abgeschalteten Zustand.«
    »Danke für die Belehrung. Man lernt ja nie aus. Aber ganz blöd sind
wir auch nicht. Die Aktion ist eingeleitet, und ich hoffe, dass wir bald
wissen, wo Tinhofer ist. Zumindest, wo sein Handy ist. Dass wir dennoch die
große Maschinerie anlaufen lassen, hat ganz einfach damit zu tun, dass ich
nicht nur hinter einem Mobiltelefon her bin. Ich muss diesen Mann aus dem
Gebirge holen, und zwar schnell. Ihr fliegt ihn hier raus – und dann will ich,
dass er bei mir in einer dreifach verriegelten Zelle sitzt, und zwar so lange,
bis wir seinen Mörder – was rede ich für einen Scheiß –, nicht seinen Mörder,
sondern den Kerl, der hinter ihm her ist, ein für alle Mal dingfest gemacht
haben. Und deshalb seid ihr hier. Also, schaut euch auf den Gletschern um und
bringt mir Tinhofer.«
    »In einer Stunde, spätestens eineinhalb ist es finster«, sagte einer
der Bergrettungsmänner. »Viel Zeit bleibt uns nicht.«
    »Nutzen wir sie! Für morgen ist eine Wetterverschlechterung
angesagt, ab Mittag haben wir höchstwahrscheinlich null Sicht hier oben.« Die
Piloten setzten ihre Helme wieder auf, und in Begleitung jeweils eines
Bergretters rannten sie zu ihren Maschinen. Wenig später knatterten die Rotoren
los, ein ungeheurer Lärm machte sich im ganzen Gebirge breit, und der Luftdruck
nahm Hosp den Atem.
    Hoffentlich finden wir ihn schnell, dachte er. Hoffentlich noch
heute Abend. Er hatte kein gutes Gefühl.
    *
    Tinhofer sah hinauf zu dem Loch. Das Licht wurde fahler. Er
zitterte vor Kälte und vor Angst. Er war auf einer Schneebrücke in der Spalte
zum Liegen gekommen, war nicht bis in die tiefsten Tiefen gestürzt. Der Schnee,
der während des letzten Winters vom Wind in die Spalte geweht worden war, ehe
sie sich oben völlig schloss, hatte eine Art Balkon gebildet. Und da lag er.
Gefangen in einer Spalte, die an dieser Stelle vielleicht zwei Meter breit war
und die sich nach oben allmählich verengte. Eine dieser teuflisch gefährlichen
A-Spalten, die an der Gletscheroberfläche ganz schmal waren, die sich nach
unten hin aber rasch weiteten – kein Gelände, aus dem es Auswege gab.
    Tinhofer stand unter Schock, und er hatte kaum Schmerzen. Er sah die
Knochen aus seinem Unterschenkel ragen, sah dort, wo ihn das Steigeisen
verletzt hatte, das Blut durch die Hose sickern – viel Blut! –, spürte, wie ihm
Blut übers Gesicht rann, und merkte bei der winzigsten Drehung seines
Oberkörpers, dass mit der Schulter etwas nicht stimmen konnte – sie machte ein
knarzendes Geräusch und widersetzte sich jeder Bewegung. Schmerz aber war da
keiner. Oder doch: der Rücken, der schmerzte. Da musste er aufgeprallt sein,
und der Fotoapparat im Rucksack hatte den Sturz nicht gerade gemildert.
    Zitternd lag er da, und er suchte einen Ausweg. Er kannte die
Gletscher, hatte in den letzten beiden Jahren unzählige Spalten gesehen, viele
davon fotografiert. Er wusste, es gab welche, die an einer Schmalseite gestuft
nach oben führten, man also geradezu bequem in sie hinein-oder aus ihnen
heraussteigen konnte. Davon aber, von einem Fluchtweg, war hier keine Spur. Und
selbst wenn …
    Er sah in seiner halb liegenden, halb sitzenden Position an sich
hinab, sah die geborstenen Stücke des Schien-und des Wadenbeins und wusste
sofort, dass ihm selbst eine mit dem Rollstuhl befahrbare

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