Glitzerbarbie
was denkst du denn?«
Ich schäme mich fremd. Dann muss ich auch noch meine Unterschrift auf dieses Dokument setzen. Margots Trauzeugin ist die Frau des Standesbeamten, weil Margots Verwandte und Freunde ja angeblich noch im Bus im Stau stehen.
Es gibt noch ein Gläschen Sekt, und dann fahren wir zur Kirche. Margot verschwindet sofort in irgendeinem Kirchenraum. »Irgendwas stimmt hier nicht«, flüstere ich Marius zu. Der sieht sich verwirrt um, als erwarte er, dass Osama bin Laden hinter einem Beichtstuhl auftauchen könnte. »Nein!«, ich ziehe an seinem Sakko. »Ich meine, mit Margot.«
»Ach Caro, nun hör doch mal auf. Man könnte ja meinen, du bist eifersüchtig«, sagt er resigniert.
»Carolin!« Da ist wieder Pitbull. »Ich bin ja sooo gespannt auf das Brautkleid! Margot meint, ihr hättet was ganz Außergewöhnliches gefunden!«
In spätestens einer halben Stunde bin ich tot. Bitte, lieber Gott,
lass es schnell gehen. Die Hochzeitsgesellschaft nimmt ihre Plätze ein, und ich schaue verzweifelt auf ein Jesusbild an der Wand. Vielleicht kann er mir ja helfen. Aber nichts passiert. Ich kann mich noch nicht mal setzen, weil ich ja mit Pitbull vorn am Altar warten muss. Ich, die Trauzeugin. Wo bleiben bloß die Verwandten im Bus?
Der Organist spielt den Hochzeitsmarsch von Mendelssohn-Bartholdy. Und dann geht die Tür auf, und Margot kommt das Kirchenschiff entlang. Sie hat tatsächlich ihr Brautkleid an.
Der Gamsbart auf dem Hut wippt fröhlich im Takt der Musik.
Pitbull starrt mich ungläubig an. Alle starren mich ungläubig an. Hinter Margot läuft ein Obdachloser mit Aldi-Tüten, aus denen leere Schnapsflaschen ragen. »Hicks«, macht der Obdachlose. Wahrscheinlich war ihm draußen zu langweilig. Mausi ruft: »Sag mal äääächt, Caro, das soll ein geilcooles Brautkleid sein?«, und ich kann gar nichts sagen, weil mir das alles so peinlich ist.
»Ich kündige dir hiermit die Freundschaft«, sagt Pitbull leise. Ich kann ihn ja verstehen. »Das hast du extra gemacht, weil du Margot nicht leiden kannst.«
»Sie wollte es unbedingt haben«, versuche ich mich zu rechtfertigen.
Pitbull schnaubt zynisch. »Erzähl das jemand anderem, und wag es nicht, noch einmal zu behaupten, dass du mich kennst. Du hast den schönsten Tag meines Lebens zerstört.«
Ich merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen. Ich hab das doch wirklich nicht mit Absicht gemacht. Alle, wirklich alle sitzen da und blitzen mich böse an. (»Ja, meine Freundin Carolin geht mit meiner zukünftigen Frau ein Brautkleid kaufen. Sie hat so einen guten Geschmack, und ich finde es klasse, dass sie ihr beratend zur Seite steht. Das ist eben wahre Freundschaft!« »Ach, das ist aber eine reizende Geste! Solche Freunde hat man
fürs Leben!« »O ja, auf Carolin lasse ich nichts kommen. Wir würden füreinander durchs Feuer gehen!« »Das ist selten. Das ist selten. Und kostbar!«) Ich könnte natürlich einfach gehen und mich beim Schorsch sinnlos betrinken, aber ich traue mich nicht. Außerdem habe ich bestimmt schon Hausverbot dort. Wegen des Brautkleides.
Margot kommt strahlend schrittchenweise auf uns zu. Der Pfarrer ist sichtlich irritiert und schaut verwirrt umher. Bestimmt vermutet er, dass hinter der Balustrade gleich Jäger mit Schrotflinten auf ihn zielen.
Schweigen. Dann Margot vor Pitbull, dann Pitbull mit gequältem Grinsen, dann Gelaber vom Pfarrer, dann ich erneut mit den Ringen, und dann geht die Tür auf. Wir drehen uns gruppendynamisch um. Ein Pulk von Menschen betritt die Kirche.
Der Pfarrer sagt: »Wenn es hier jemanden gibt, der etwas gegen die Ehe von Ralf Lehmann und Margot Dörtelhuber einzuwenden hat, so möge dieser Jemand jetzt reden oder für immer schweigen.«
Die Kirchentür schlägt wieder zu, eine ältere Frau kommt mit Riesenschritten auf uns zugestürmt. Ihr Atem geht stoßweise, und sie hebt den Zeigefinger.
Margot schreit: »Raus!!!«
»Wer sind Sie?«, fragt der Pfarrer.
»Ich bin die Mutter! Und ich werde nicht zulassen, dass MEIN
SOHN EINEN MANN HEIRATET !«
Ein Aufschrei geht durch das Kirchenschiff. Margot (Margot?) brüllt: »Hau ab, Mutti!«, und Pitbull wird ohnmächtig. Er reißt das Taufbecken mit um.
Zum Glück steht da Rotwein, der für das Abendmahl bestimmt ist. Der liebe Gott nimmt es mir bestimmt nicht übel, wenn ich die Flasche mal eben ansetze.
10
Zwei Stunden später. Wir sitzen bei uns zu Hause in der Küche. Ich habe ein Déjà-vu und frage mich, woher. Dann
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