Glitzerbarbie

fällt mir ein, dass mich die Szene an »Vier Hochzeiten und ein Todesfall« erinnert. Da wird doch Hugh Grant von seiner Braut niedergeschlagen, und die Clique sitzt dann auch bei ihm zu Hause in der Küche und beratschlagt, was zu tun ist.
    Pitbull ist um Jahre gealtert. Selbst Marius, der immer alles relativ gelassen sieht, ist am Boden zerstört. Aber eines wollen wir alle wissen: »Wie konntest du nicht merken, dass das keine Frau ist?«
    Pitbull stützt den Kopf in die Hände. »Sie wollte es sich für die Hochzeitsnacht aufheben«, sagt er leise und verzweifelt.
    »Du meinst, ihr habt noch nie miteinander geschlafen?«, fragt Marius fassungslos.
    Pitbull nickt. Gero sagt: »Oh Gott oh Gott oh Gott«, lediglich Richard ist gefasst. Das Einzige, was ihn interessiert, ist die Frage, wo sich Margot wohl »den Busen hat machen lassen«.
     
    Nachdem Margots Mutter gebrüllt hatte, ihr Sohn solle keinen Mann heiraten, und Pitbull umgekippt war, eskalierte die Situation. Margots Mutter sprang auf die Kanzel und schaltete das sich dort befindende Mikrophon an, um uns laut und deutlich mitzuteilen, dass ihr Sohn sich Frauen gegenüber so unmöglich verhalten hätte, dass keine ihn hätte haben wollen (Hallo, Herr Dunkel!), und dann müsste er wohl auf die Idee gekommen sein, dass das als Frau doch alles besser funktioniert, außerdem hätte Hans (Margot!) Schulden und sich deswegen einfach aus dem Staub gemacht und eine neue Identität angenommen. Sie, Frau Ruppel, hätte Monate gebraucht, um Hans
zu finden. Aber jetzt hätte sie den Schwerenöter ja gerade noch erwischt!
    Dann ging sie zu Hans-Margot und haute ihm eine runter. Später stellte sich heraus, dass er/sie Pitbull schon dazu überredet hatte, sämtliche Bausparverträge und geldbringende Versicherungen auf seinen Namen umschreiben zu lassen. Pitbull muss am Montag sofort einen Rechtsanwalt aufsuchen. Hans-Margot gab dann irgendwann zu, dass er noch in der Nacht zum Sonntag seine Siebensachen packen und abhauen wollte. Auf Nimmerwiedersehen. Allmächtiger.
    Pitbull und wir alle waren Frau Ruppel unglaublich dankbar für die Aufklärung dieser entsetzlichen Geschichte. Gott, wie furchtbar. Hoffentlich passiert mir so was nie. Irgendwann kam dann auch noch die Polizei in die Kirche (Pinki und Little Joe hatten Hans-Margot am Altar mit einem Lasso festgebunden), und er/sie wurde wegen versuchten Betruges verhaftet und gleich mitgenommen. Der Pfarrer stellte fest, dass in einer solchen Situation auch Beten nicht mehr hilft, und opferte freiwillig noch mehr Rotwein, den er persönlich aus der Sakristei holte. Dann saßen wir alle auf den Stufen vor dem Altar und auf dem Altar und auf dem Boden und tranken was auf den Schreck.
     
    »Bestimmt wollte Hans-Margot deswegen kein Brautkleid anziehen, weil man dann gesehen hätte, dass er ein Mann ist, wegen der Oberarme und der Behaarung und so«, sinniere ich jetzt in unserer Küche.
    »Und ich habe noch geglaubt, du hättest das extra gemacht«, sagt Pitbull, der mit Hilfe von Mausis Riechsalz wieder unter den Lebenden weilt. (»Oh Mann, äääächt, ich hab immer geilcool Riechsalz dabei, weil ich die Kleider von den Frauen, die so Korsagen tragen in der Schokokozeit, so schön finde. Die sind
immer umgekippt in der Schokokozeit, und dann haben sie geilcool Riechsalz genommen, und dann konnten sie echt voll weiterlaufen mit den megastarken extremen Reifröcken.«) »Na ja«, werfe ich ein. »Ich gebe zu, dass ich sie nicht leiden konnte. Also ihn. Das kam mir alles so komisch vor.«
    Pitbull nickt. »Irgendwas kam mir auch komisch vor. Ich konnte nur nicht sagen, was. Und ich war deswegen so blöde zu dir, weil ich eigentlich gewusst habe, dass du Recht hast. Entschuldige bitte, Caro!«
    Ich winke ab. »Vergiss es einfach«, sage ich. »Was machen wir jetzt mit der Reservierung im Ahornshof?«
    »Keine Ahnung«, Pitbull hebt hilflos die Hände. »Entscheidet ihr das.«
    Nach kurzer Diskussion beschließen wir, gemeinsam in den Ahornshof zu gehen.
    Wir feiern dann also doch noch, wenn auch keine Hochzeit. Nach dem vierten Glas Wein ist das aber auch egal. Marius’ Einwurf »Trink doch nicht so viel, Carolin. Milch ist doch auch gesund«, überhöre ich geflissentlich. Das ist hier schließlich keine Beerdigung. Pitbull flirtet auf Teufel komm raus mit der Aushilfe, die zum Bedienen engagiert wurde. Sie heißt Isabell und beweist ihm gern, dass sie eine wirkliche Frau ist. Ich bin sehr froh, dass Pitbull Hans so