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Glitzerbarbie

Glitzerbarbie

Titel: Glitzerbarbie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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dass er mich gern anrufen kann, wenn er mal das Bedürfnis hat, über seine Sorgen zu sprechen«, höre ich mich sagen. Was rede ich da?
    »Das würdest du tun? Also, das finde ich ja großartig. Roland ist ein so netter Kerl, er hilft, wo er nur kann, auf seine Hilfe kann man zählen, wenn ich dir sage, wie Roland mir schon geholfen hat, das … «
    Ich stehe auf. Nein, ich kann das jetzt nicht ertragen. »Mein Flugzeug geht in knapp zwei Stunden, und ich möchte gern pünktlich sein.«
    Das versteht Sylvester natürlich und lässt mich von dannen ziehen.
     
    Im Flugzeug sitze ich am Fenster. Neben mir sitzt eine Frau, die ununterbrochen auf den Mann neben sich einredet. »Ich fliege so gern und sehr häufig, dann bin ich Gott näher«, sagt sie mit einer Stimme, die so klingt, als befände die Frau sich bereits im Himmel. »Hmmhmm«, brummelt der Geschäftsmann, der gerade die Financial Times liest. »Gott ist zwar überall«, ruft die Frau und breitet ihre Arme so aus, dass sie mich fast im Gesicht trifft. »Aber hier, hier oben im Himmel, da ist er uns besonders nah. Spüren Sie ihn?« Der Mann schüttelt den Kopf, ohne von der Zeitung aufzublicken. »Ich spüre ihn, er ist hier direkt neben uns.« Sie blickt mich an. Ich werde rot. »Auch Sie haben Gott in sich«, sagt die Frau zu mir. »Gott wird uns immer den
richtigen Weg zeigen. Auch diesem Flugzeug.« Ich hoffe nur, dass die Piloten sich nicht ausschließlich auf die Aussage dieser Frau verlassen. »Seit Jahren arbeite ich nun schon ehrenamtlich für unsere Gemeinde«, rekapituliert die Frau. »Ach, Sie wissen gar nicht, was da alles zu tun ist. Gott allein kann da auch nicht helfen. Die ganzen alten Menschen, die Obdachlosen, die Verlassenen, die armen allein erziehenden Mütter und Väter, die Familien ohne Arbeit, denen wir Speis und Trank und Kleidung geben. Wir alle wissen gar nicht, wie gut es uns geht, nein, das wissen wir nicht. Wir leben in den Tag hinein und achten nicht auf unsere innere Stimme, die uns sagt: ›Hilf. Hilf. Hilf!‹« Die letzten Worte brüllt sie geradezu. Die anderen Fluggäste schauen schon zu uns. Mir ist das alles sehr unangenehm. Die Stewardess kommt mit dem Essen. Böse blickt die Frau sie an. »Wenn man diese Portionen mit Geschnetzeltem und Spätzle und Salat nimmt, kann man einem ganzen afrikanischen Völkerstamm eine warme Mahlzeit geben und ihnen somit das Hungergefühl nehmen. Hunger hat hier nämlich niemand wirklich!«
    Die ist ja noch schlimmer als Janosch. Das würde noch fehlen, dass der Pilot den Kurs ändert und Richtung Serengeti eiert.
    Und ich muss dann Marius anrufen und sagen, dass es ein wenig später wird, weil ich im Busch noch bei der Essensausgabe helfe. Zum Glück reagiert die Stewardess gelassen und meint, sie mache hier nur ihren Job.
    »Aber Sie nehmen Geld dafür und behalten es auch noch, anstatt es zu spenden. An die Kirche. An Gott! Die Menschen brauchen das Geld. Und Ihre Hilfe!« Jetzt redet sie zu uns allen. Der Financial-Times-Mann blickt von seiner Zeitung auf. »Hören Sie mal«, sagt er. »Wer bezahlt das eigentlich, dass Sie dauernd fliegen, um näher bei Gott zu sein?« »Na, die Gemeinde«, sagt die Frau entrüstet. »Ich selbst arbeite ja ehrenamtlich!«
    »Meinen Sie nicht, dass das Geld, das Ihre Flüge kosten, auch
besser in Afrika aufgehoben wäre?« Ui, jetzt wird er zynisch. »Was wollen Sie damit sagen?«, fragt die Frau keifend.
    Der Mann faltet seine Zeitung zusammen und setzt sich auf. »Ich will damit sagen, dass Sie mit Ihrem blöden, überflüssigen Geschwätz aufhören sollen!« Er wird rot vor Wut. »Das interessiert hier nämlich niemanden! Von mir aus können Sie bis an Ihr Lebensende irgendwohin fliegen und ehrenamtlich belegte Brote verteilen, aber verschonen Sie bitte Leute mit Ihren Unterhaltungen, die sich mit Ihnen nicht unterhalten wollen!«
    »Sie unchristlicher Mensch!«, schreit die Frau zurück. »Der Anzug, den Sie tragen, würde eine achtköpfige Familie im Sudan eine Woche lang ernähren!«
    »Und Ihr Flugticket einen ganzen Volksstamm für einen Monat!«, kontert Mr.Financial Times. Nervös fängt die Frau an, einen Rosenkranz zu beten. Ich halte das gleich hier nicht mehr aus. »Wissen Sie was?«, echauffiert sich Herr Times. »Hier!«, er zieht etwas aus seiner Tasche und kritzelt darauf herum. »Hier haben Sie einen Barscheck über 20   000  Euro. Für die Mütter, die sich keine Milch leisten können, oder für die Wohnsitzlosen ohne

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