Glitzerbarbie
Wolldecke. Aber lassen Sie mich jetzt bitte in Ruhe!«
Die Frau nickt. Sie traut sich offenbar nicht mehr zu sprechen. Der Mann widmet sich dann wieder seiner Zeitung und die Frau sagt tatsächlich nichts mehr. Ich sehe sie nur einige Minuten später den Betrag auf eine Liste schreiben. Auf der Liste stehen schon eine ganze Menge anderer Beträge. Clever. Sollte ich vielleicht genauso machen.
Die nächsten Wochen vergehen wie nichts. Verena bringt es fertig, eigenständig Preise zu organisieren, und kann auch irgendwann mit dem Computer umgehen. Zum Glück hat Jo gesagt, dass Nini, die ja sonst immer meine Vertretung macht, Verena
mit Rat und Tat zur Seite stehen soll, während ich weg bin, und somit bin ich einigermaßen beruhigt. Dann kommt mein letzter Tag bei easy-Radio. Ich kaufe eine Menge Sekt und Chips und Flips und Bier und Wein, und nach Redaktionsschluss wird gefeiert. Jo und Bernd halten Reden, die mich zum Weinen bringen, und ich bekomme einen eigenen Stern vom Team geschenkt, der nur mir gehört. Mit Zertifikat und einem großen Foto mit allen Kollegen drauf. Und Ohrringe. Jo sagt in seiner Rede, dass ich immer ich bleiben solle und dass mein guter Geist der Redaktion fehlen werde. Bernd meint, er würde es jetzt schon vermissen, dass ich nicht mehr zur Tür reinkomme, weil dann ginge ja immer die Sonne auf und der Tag wäre gerettet. Das macht mich alles emotional so fertig, dass ich kurz davor bin, alles rückgängig zu machen und zu bleiben. Dann halte ich noch eine Rede, die ich aber abbrechen muss, weil ich von Weinkrämpfen geschüttelt werde, und alle trösten mich, und zum Schluss weinen wir alle gemeinsam. Aber nur kurz, Sekt, Bier und Wein verdrängen die Trauer irgendwann.
Gegen Mitternacht schließe ich zum letzten Mal mein Büro ab und drücke Nini den Schlüssel in die Hand. Ich habe ein ungutes Gefühl. Noch unguter als vor Pitbulls Hochzeit. Ist das alles richtig? »Ist ja nur für kurz, wenn du willst«, versucht mein Gewissen mich zu beruhigen. »Du kannst ja immer zurück.« Kann ich das? Kann ich immer zurück? Mir fällt meine Oma ein, die immer sagte: »Bleib aufem Teppich, Kind!«
Ich bleib schon aufem Teppich, irgendwie.
11
Eine Woche später komme ich gegen Mittag auf dem Flughafen Berlin-Tegel an. Ein Fahrer von Strawberry holt mich ab. Ich komme mir blöd vor, als ich in den dicken Mercedes steige, und muss dauernd an die Frau denken, die uns erzählt hat, dass Menschen Hunger leiden. Bestimmt würde sie jetzt sagen, dass von der Versicherung, die das Auto kostet, achthunderttausend allein erziehende Mütter bis an ihr Lebensende Alete-Gläschen für ihre Kinder kaufen könnten.
Sylvester und »mein« Redaktionsteam, an der Spitze Felix, erwarten mich schon. Sie stehen Spalier, ich bin froh, dass sie nicht noch einen roten Teppich ausgelegt haben, und komme mir vor wie Prinzessin Diana, die ohne Dodi al Fayed ins Ritz marschiert. Ich bin so was nun wirklich nicht gewohnt und tue burschikos.
Sylvester hat einen Plan entworfen. In dem Plan habe ich unter anderem einen persönlichen Fitnesstrainer, mit dem ich, wenn ich in Berlin bin, täglich zwei Stunden trainieren darf. Darf. Darf. Darf. Ich hasse Sport. Und ich bin das unsportlichste Wesen auf der ganzen Welt. Aber das gebe ich natürlich nicht zu.
Die erste Aufzeichnung ist übermorgen um elf. Jetzt stärken wir uns erst mal alle bei einem feinen Lunch, denn am Nachmittag um vier ist eine Pressekonferenz anberaumt.
Ich war schon oft auf Pressekonferenzen. Als Zuhörerin. Wenn Phil Collins kam. Oder Heiner Lauterbach. Oder Götz George.
Oder Catherine Zeta-Jones. Aber noch nie war ich auf einer Pressekonferenz, bei der es um mich ging. Das macht mich verrückt. In den Pressemeldungen wurde geschrieben, ich sei »die Entdeckung des Jahrzehnts«, und »Bärbel Schäfer könne einpacken« und eigentlich auch Sabine Christiansen. Wer mich mit
Sabine Christiansen vergleicht, muss völlig wahnsinnig sein. Ich weiß weder, welcher Partei Joschka Fischer angehört, noch was eine Ampelkoalition ist. Ich weiß aber, was eine Ampel ist. Das weiß Sabine Christiansen aber bestimmt auch. Insofern sind wir doch ein Stück weit gleichwertig.
Sylvester trompetet herum, dass mehr als zweihundert Journalisten ihr Kommen angekündigt haben, woraufhin mir schlecht wird. Bestimmt sind verkleidete ehemalige Schulkameraden dabei, die mich vor laufenden Kameras darauf ansprechen, warum ich damals auf der Klassenfahrt nach Forchheim
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