Glitzerbarbie
ist das schön, wieder in Watzelborn zu sein. Obwohl ich Roland schrecklich vermisse. Dauernd kommen SMS von ihm.
»Und Zoe hat angerufen und gefragt, wie es dir geht. Du sollst unbedingt mal wieder zu ihr ins Sonnenstudio kommen«, erzählt Gero. »Sie hat jede, wirklich jede Sendung mit dir gesehen und hat im ›Happy Sun‹ sogar Fotos von dir hängen. Jedem erzählt sie, dass du dich bei ihr auch schon gesonnt hast.«
Ich beschließe, auf dem Weg zur ›Endstation‹ bei Zoe vorbeizuschauen.
Über sie habe ich damals Pitbull kennen gelernt, wenn auch auf Umwegen.
Tom kommt und bringt leckere Torte mit, und ich erzähle die Roland-Dunkel-Geschichte nochmal. Ich könnte sie auch noch hundertmal erzählen. Tom ist vor Rührung gebeutelt: »Diese schreckliche Frau. Gott, tut mir Roland Dunkel Leid. Das muss ja fürchterlich sein. Stell dir vor, Gero, auf dem Weg zu dir würde ich keine Luft mehr bekommen. Ganz schlimm! Ich finde seine Entscheidung richtig. Aber willst du wirklich nach Hamburg ziehen, Caro?«
»Das weiß ich noch nicht«, sage ich. »Aber ich glaube schon.« Gero wird blass. »Nein, nein«, sagt er schnell. »Komm jetzt bitte auf den Boden, Caro!«
»Die Liebe kennt keine Grenzen und Entfernungen«, kläre ich ihn auf. »Und wenn mein Herz spricht, muss ich darauf hören.«
»Was redest du denn da für ein blödes Zeug?«, fragt Gero. »Man könnte ja meinen, du wärst ein Sektenmitglied.«
Vielleicht bin ich das ja wirklich schon. Vielleicht bin ich in meiner blinden Liebe zu Roland der Scientology beigetreten, ohne es gemerkt zu haben. Wahrscheinlich hat Roland als Oberhaupt der Sekte schon Kontovollmacht und gibt gerade mein Geld für ein Spinnaker-Segel aus. Oder für neues Ölzeug.
Gegen Abend mache ich mich auf den Weg zu Zoe ins ›Happy Sun Sonnenstudio‹. Sie freut sich riesig, mich zu sehen. »Ach, Carolin, jetzt habbe mer e Prominente hier aus em Ort«, schwabbelt sie los. »Du – isch hab e neu Sonnebank, voll automatisch, da wird eim alles von erer Compjuderfrau erklärt, da is auch Wellnessbesprühung bei un alles möschlisch annere! Du hast doch so e schön Farb, die wolle mer doch erhalde, lesch disch doch emal e Vierdelstund drunner!« Erwartungsvoll starrt sie mich an. Mit Sicherheit wird sie, nachdem ich die neue Sonnenbank
benutzt habe, einen Aushang machen: »!! Hier sonnte sich auch schon Carolin Schatz!!« Und dann nimmt sie pro Minute einen Euro mehr.
Aber Sonnen ist eine gute Idee. Und mit der integrierten Computerfrau kann ja gar nichts mehr schief gehen. Ich lege mich auf die Bank und ziehe den Deckel zu. »Willkommen beim Top-Sun-Aktiv-Bräunungscenter«, zwitschert die Computerfrau.
»Wir freuen uns, dass Sie sich für eine Besonnung unter einem Gerät aus unserem Haus entschieden haben. Es stehen Ihnen hier alle Möglichkeiten offen. Sie können mit nur einem Knopfdruck die Gesichtsbesonnung aktivieren und deaktivieren. Dazu müssen Sie allerdings erst die A-Taste betätigen. Bei normaler, noch nicht stark gebräunter Haut … « Kann die nicht mal die Klappe halten? Ich blinzle nach oben, um den Knopf mit dem A zu finden, weil der Gesichtsbräuner doch sehr heiß ist. Das sind ja schrecklich viele Knöpfe, das sieht ja aus, als ob man einen Kurs machen müsste, um das alles zu kapieren. Gott, blendet das hier. Ich drücke einen Knopf, auf dem B steht. Wahrscheinlich hat die Frau sich nur versprochen. »Üzmüz güll hüll ümü ückü urhan bühüll«, blökt es aus den Lautsprechern. Es scheint sich also um ein mehrsprachiges Anleitungsprogramm zu handeln. Es ist aber eine andere Frau. Ihre Stimme klingt aggressiv und genervt. Ich bekomme Angst vor der Frau und drücke schnell einen Knopf, auf dem, glaube ich, gar nichts steht, und kreische vor Schreck los, weil nämlich aus allen möglichen Düsen eiskaltes Wasser kommt. Ich drücke nacheinander alle Knöpfe auf dem Bedienfeld, und das totale Chaos bricht aus. Aus einem der Lautsprecher kommt Wellenrauschen, wahrscheinlich zur Entspannung, die türkische Frau bekommt Gesellschaft von einer niederländischen und einem kroatischen Mann. Alle erklären und meinen es bestimmt gut, aber das hilft mir leider auch nicht weiter. Und der Gesichtsbräuner wird immer
heißer. Dann kommt die deutsche Frau wieder zu Wort und erklärt, warum Sonnen so gesund ist, und dann empfiehlt sie eine sofort einziehende After-Sun-Lotion, die den typischen Sonnenbankgeruch verschwinden lässt. Es gibt auch keinen Notknopf, um
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