Glitzerbarbie
werde ich diesen ersten Kuss vergessen. Seine weichen Lippen und dieses Glücksgefühl, das mich durchströmt.
Seine etwas kratzige Wange, weil er sich einen Tag lang nicht rasiert hat. Den Blick auf das glitzernde Wasser, eine beleuchtete Luxusjacht mit dem Namen »Lady Moura« vor uns und der Geruch von Seewasser, Tang, Urlaub und beflügelndem Glück. Ich stehe neben mir.
Wir setzen uns auf ein paar Steine, und Roland erzählt von seiner Ehe. Man sagt ja immer, man muss sich zwei Seiten anhören, aber das, was ich da höre, ist einfach nur furchtbar. Das muss ja wirklich schrecklich sein. Immer unzufrieden, die Frau,
immer total im Stress, obwohl eigentlich überhaupt kein Grund dafür vorhanden, und absolut humorlos. »Ich habe immer Angst vor dem Wochenende«, erzählt Roland. »Freitags arbeite ich immer noch extra lange, damit ich bloß nicht nach Hause fahren muss. Und kaum bin ich auf dem Heimweg, schnürt sich mir der Hals zu. Montagmorgens bin ich immer fix und fertig! Entspannung ist das Wochenende nicht.«
Wir reden die ganze Nacht. Dazwischen kaufen wir Weißwein in einer Kneipe und stehlen zwei Gläser, und dann sitzen wir auf der Mole und genießen den Blick aufs Wasser. Roland sagt: »Ich möchte mit dir zusammen sein.«
»Wir kennen uns doch noch gar nicht richtig«, das bin ich. Ein bisschen Vernunft muss ja sein. Aber ich gebe zu, noch nie solche Gefühle für jemanden gehegt zu haben. Ich verstehe das alles selbst nicht. Marius ist so weit weg.
Roland legt den Arm um mich. »Komm, wir gehen in den Club«, sagt er. »Es wird ja schon hell.«
Wir schlafen nicht, wir sind beide viel zu aufgedreht. Und zu verliebt. Wir sind so verliebt, dass wir noch nicht einmal an Sex denken! Wir reden ununterbrochen. Hätte mir jemand noch vor ein paar Tagen gesagt, dass ich mit diesem Roland Dunkel über Gott und die Welt reden würde, ich hätte ihn für unzurechnungsfähig erklärt. Es ist einfach herrlich, sich mit ihm zu unterhalten. Ich frage ihn plötzlich bereitwillig Sachen übers Segeln, die er mir noch bereitwilliger beantwortet. So erfahre ich, was eine Wende ist und warum man dazu die Genua (ein Segel) setzen muss. Ich weiß seitdem, was die Bilge ist (Stauraum unter dem Schiffsboden) und eine Klampe (hab ich aber sofort wieder vergessen) und wie man Fender anbringt (das sind so eine Art Gummibälle, die an der Reling festgebunden werden müssen, damit man beim Anlegen kein anderes Schiff beschädigt). Ich fühle mich so beschwingt und erfahren, dass ich am liebsten sofort
mit Roland lossegeln möchte. Vor einigen Jahren habe ich auch mal das Buch »Komm, wir segeln um die Welt« gelesen und fand das total klasse, wie dieses Pärchen einfach so losgesegelt ist. Ich glaube, sie sind aber mittlerweile nicht mehr zusammen. Über so was will ich jetzt aber gar nicht nachdenken.
Die nächsten Tage sind traumhaft. Wir segeln viel und »es ist ein ganz anderes Gefühl, die Landschaft vom Wasser aus zu sehen, als wenn man beispielsweise mit einem Mietwagen unterwegs ist«. (So hab ich das mal in einem Reiseprospekt gelesen.) Und wir reden viel über schöne Dinge, aber auch, wie es denn jetzt mit uns weitergehen soll. »Kannst du nicht nach Hamburg ziehen?«, fragt Roland mich hundertmal. Natürlich könnte ich eigentlich nach Hamburg ziehen. Nach Berlin ist es von Hamburg aus sogar näher. »Wir ziehen gleich zusammen«, beschließt Roland, »warum sollten wir noch warten. Ich will für immer mit dir zusammen sein!« Jaaa, ich auch mit ihm! Ich kann doch auch einmal spontan und verrückt sein! Eine Stimme der Vernunft gibt zu bedenken, dass ich das sowieso immer bin, aber ich überhöre sie.
Dann kommt der letzte Tag, und wir sind zu nichts in der Lage, außer nebeneinander zu sitzen und zu hoffen, dass die Zeit nicht umgeht. Sie geht aber um, und mein Rückflug ist direkt nach Frankfurt gebucht. Rolands direkt nach Hamburg. Auf dem Flughafen trinken wir einen Gin Tonic, und ich kann gar nicht mehr sprechen, weil ich sonst anfangen muss zu weinen.
Rolands Flug geht zuerst, und wir umarmen uns. Es ist eine entsetzliche Situation, und ich habe das Gefühl, dass nichts jemals wieder gut werden wird.
Und dann ist Roland weg, und in mir ist eine schreckliche Leere. Ich stehe im Waschraum dieses Flughafens und heule haltlos.
17
Gero holt mich in Frankfurt ab. Ich komme aus der Tür und fange schon wieder an zu heulen.
»O Gott o Gott o Gott«, sagt Gero und ist ganz durcheinander. »Was ist denn
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