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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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da spürte ich sofort, daß auch mir etwas Ähnliches zustoßen würde und daß ich mich, wie Willi Schneider, als Friseur oder in irgendeinem anderen ehrlichen Gewerbe zur Ruhe setzen könnte. Damit möchte ich nicht andeuten, meinen Werken hafte mediale Qualität an. Es ist nur einfach so, daß sie ohne Zweifel eine Größe enthalten, die nicht jene des Malers ist, wie die wenigen, die ihn kennen, ohne Zögern bekräftigen werden. Die ›zwei Seelen in einer Brust‹ sind ja sprichwörtlich bekannt.
    Auch muß ich gewisse ›Einflüsse‹ zugeben, was sich etwas prätentiös anhört, hier jedoch einmal gesagt werden muß, da es erklärt, was ich in Belgien zu tun hatte und wie ich dazu kam, Madame A. aufzusuchen. Ich habe im Laufe der Zeit herausgefunden, daß das Werk bestimmter Maler mich stark, ja beizeiten sogar in quälender Weise beeindruckt, aber, wie ich bereits sagte, nur ganz bestimmte Maler und ganz bestimmte Bilder - wirklich ausgesprochen wenige. Kunst im allgemeinen läßt mich bedauerlicherweise recht kalt, ganz besonders, wenn diese Kunst vor Massen zur Schau gestellt wird, die nun einmal leider - und unausweichlich - in ihrer Mehrzahl völlig unsensibel sind. Ich weiß genau, daß Bilder immer nur einzelnen Personen gehören sollten, ja ich vermute beinahe, daß Bilder sterben, wenn sie von zu vielen besessen werden. Auch verabscheue ich Bücher über Kunst mit ihren entsetzlichen, abstoßend bunten oder langweilig einfarbigen ›Reproduktionen‹. Auf der anderen Seite verliere ich mich geradezu in den Malern, die mich nicht kalt lassen, in ihrem Leben und ihren Gedanken - dergestalt, daß ich Fakten über sie nachlese oder selbst Fakten ersinne - und in ihren Bildern. Einen Maler oder den Ort zu erblicken, an dem er malte, kann, so glaube ich, überaus wichtig sein. Ich bin kein Anhänger der Theorie, daß nur das Werk an sich, daß nur die Art und Weise zähle, wie man die Farbe aufgetragen hat. Diese Idee scheint mir gleichermaßen von geistiger Faulheit wie von Seelenlosigkeit zu zeugen. Vielleicht sind ›meine‹ Maler meine wahren, meine einzigen Vertrauten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich einer lebenden Person jemals so nahe sein werde wie Magnasco, als ich ihn gerade entdeckte. An dieser Stelle sollte ich noch einmal betonen, daß diese ›Einflüsse‹ für mich keineswegs unmittelbaren Charakter haben. Ich vermag wenig Anklänge an die Manierismen anderer Leute in meinen Bildern zu entdecken. Tatsächlich geht der Einfluß weitaus tiefer. Die Anhänger der ›Werktheorie‹ würden nichts davon verstehen.
    Es war mir möglich, auf der Suche nach meinen besonderen Bildern ein wenig zu reisen, denn ich habe immer sehr einfach gelebt und fast nie etwas ausgegeben. Um Bilder zu sehen, fuhr ich nach Belgien: Wohl unnötig zu erwähnen, daß es nicht jener Memlings und Rubens’ wegen war - so prächtig diese auch zu ihrer Zeit gewesen sein mögen -, sondern vielmehr der Symbolisten wegen und der mit ihnen verwandten Maler wie William Degouve de Nuncques, Fernand Khnopff, Xavier Mellery, der behauptete (und wer anders hat das jemals zu behaupten gewagt?), er male »Stille« und die »Seele der Dinge«, und natürlich vor allem James Ensor, der charmante Baron. Ich hatte mich monatelang vor meiner Abreise bemüht, mir eine Liste entsprechender Adressen zu verschaffen, da glücklicherweise viele der besten Bilder der Schule noch in Privatbesitz waren. Fast alle traten mir mit großer Freundlichkeit gegenüber, obwohl ich nur sehr wenig Französisch spreche, und die ersten vierzehn Tage ging ich gänzlich darin auf, war ich vollends glücklich. Nicht alle Eigner ließen erkennen, daß sie ihren Besitz recht zu schätzen wußten, doch anders hatte ich das auch nicht erwartet. Zumindest waren sie bereit, mich allein und in Ruhe mit den Bildern zu lassen, eine Freundlichkeit, zu der sich die meisten privaten Kunstbesitzer, die in Italien noch am Leben sind, nicht herabgelassen hatten. Manch einer der Letztgenannten schien zu hoffen, mir etwas verkaufen zu können; die meisten machten viel Aufhebens; und alle verweigerten mir den intimen Umgang mit den Bildern.
    Eine der belgischen Autoritäten, mit denen ich in brieflichem Kontakt stand, teilte mir mit, daß die Witwe eines Malers der symbolistischen Schule noch heute in Brüssel lebe. Nicht einmal für mich allein möchte ich hier - im Lichte dessen, was sich danach ereignete - den Namen des Malers niederschreiben. Ich werde ihn schlicht

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